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Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition)

Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition)

Titel: Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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geht doch nur, wenn du annimmst, dass ich es dir verzeihe, weil ich dir verfallen bin.«
    »Ist das so?« Ich war entsetzt.
    »Nein.«
    »Also, warum unterstellst du es mir dann? Hältst du mich für so blöd? Meinst du, ich würde gar nichts begreifen von Beziehungen und so?«
    »Jetzt bist du wütend.«
    »Und du freust dich!«
    »Ja. Ich bin konservativ. Und dieses rhetorische Geziere mit Ich-Botschaften und gespiegelten Gefühlen habe ich schon den ganzen Tag im Geschäft.«
    »Du arroganter Affe! Du bist mir doch verfallen!«
    Er lachte.
    Die Dramaturgie erforderte, dass wir am anderen Tag unsere Vorträge hielten, ich über meine Recherchen, die mich unter anderem bis zur Totensteige geführt hatten, an der Juri Katzenjacobs Adoptiveltern im Gegenlicht der Sonne verstorben waren, und Derya und Finley ihren über den Forschungsstand zur Telekinese, der den Zuhörern nun aber den Gedanken nahelegen musste, es könne eben doch eine Macht stärker sein als die von Katzenjacob, und Tantriks hätten nicht nur deshalb Erfolg, weil sie das Opfer in den Stress des soziokulturellen Todes schickten, sondern weil sie besondere geistige Kräfte besaßen.
    Finley war hinterher ziemlich geknickt. »Für mich war die Wahrhaftigkeit der Wissenschaft bislang das höchste Gut«, sagte er, als wir im Auto saßen und gen Stuttgart rasten. »Und heute habe ich das Blaue vom Himmel herunter gelogen, um die halbe Welt zu täuschen. Als Wissenschaftler bin ich tot.«
    Derya hatte sich weniger verbiegen müssen, denn insgeheim glaubte sie. Sie war entschlossen, weiterzuleben.
    »Finley«, fragte Richard in den Rückspiegel, »warum warst du vor drei Jahren nicht eingeladen? Da hat man hier schon mal über Parapsychologie geredet und das Kalteneck-Experiment beschlossen. Deryas Vater war hier und Rosenfeld.«
    »Davon weiß ich nichts«, antwortete Finley. »Aber vielleicht hat man einen Ungläubigen wie mich nicht dabeihaben wollen.«
    »Ich war auch nicht dabei«, sagte Derya. »Und ich habe nicht einmal gewusst, dass Gabriel und mein Vater hier waren.«
    Unwillkürlich stellte ich mir den alten Groschenkamp in seiner Villa an der Elbchaussee vor, so wie ich ihn gesehen hatte, als ich von den Schubladen seines Schreibtischs hochschaute und er neben der Tür stand vor der Karte seines Weltreichs, das nun zerfallen würde.
    Und noch etwas hatte ich gesehen. Aber das fiel mir ums Verrecken nicht ein.

63
    So nahm das Verhängnis seinen Lauf. Am Montag klingelte mich KHK Christoph Weininger aus dem Bett und verkündete, er solle mich zur JVA Karlsruhe fahren. Warum, konnte er mir nur so erklären: »Dein Weber hat mich angerufen und mich darum gebeten.«
    Wenn ein Feind den andern bittet, sagt man nicht Nein. »Siehste mal! Er vertraut dir mehr als jedem anderen Bullen.«
    »Auf die Ehre kann ich verzichten!«
    Der September tat sich schwer, den Sommer zu verabschieden. Die Sonne klebte auf den winterfertig gemachten Äckern, dem welken Gras, dem trockenen und zum Sterben bereiten Laub an den Bäumen. Und in mir rollte ein Klumpen hin und her. Finley betrachtete sich als wissenschaftlich tot, weil er die Möglichkeit in Aussicht gestellt hatte, dass ich Katzenjacob besiegen könnte. Während unserer Besprechungen und Planungen übers Wochenende war auch mir die Ahnung gekommen, dass ein derartiger Betrug alle beschädigte, auch mich. Danach würde ich nicht mehr so leben können wie jetzt. Ich wäre die, die die Welt gerettet hat. Ich habe nie berühmt sein wollen. Nie! Denn dann schauen einem alle beim Leben zu.
    Nur Richard zeigte keine Erosion durch Moral, Zweifel oder Angst. Er hielt die Zügel fest in der Hand. Während Christoph und ich die A8 rauf- und runterbrausten, änderte er auch unser Ziel. Er rief mich an und sagte: »Ihr fahrt zur Bundesanwaltschaft.«
    »Wieso?«
    »Weil, Lisa. Euer Besuch wird streng vertraulich behandelt. Keine Aufzeichnungen, niemand hört mit.« Er kannte die Generalbundesanwältin schon lange, noch aus ihren Zeiten als Hamburger Wirtschaftsstaatsanwältin und Fachfrau für Steuerhinterziehung.
    Das Gebäude der Bundesanwälte in Karlsruhe gehörte zu dem Typ kristalliner architektonischer Solitäre, bei denen sich die eine Hälfte der Kulturbürger in Wutbürger verwandelt und die andere in Weltbürger. Die Generalin empfing Christoph und mich per Handschlag. Es war eine ihrer letzten Amtshandlungen vor ihrer Pensionierung, und sie missfiel ihr. Ich glaube, sie verzieh mir mein reichlich unseriöses

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