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Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition)

Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition)

Titel: Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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befanden uns seit gut zwei Stunden in diesen Gewölben. Folglich wusste derjenige, der mir die Mail geschickt hatte, wo wir waren. Also hatte er mein Handy geortet.
    Derya riss mich aus der Twitter-Hypnose.
    »Und wenn wir«, überlegte sie laut, »etwas aus diesem Loch hängen, eine Jacke? Dann könnte die Feuerwehr uns finden.«
    »Hol dir doch den Feuerlöscher, Richard«, sagte ich. »Schlag die verdammte Wand ein!«
    »Wie soll das denn gehen?«, tadelte mich Derya.
    »Mit brachialer Gewalt, Schätzchen!«
    Richard verschwand wortlos und kam wenig später mit dem Feuerlöscher wieder. Allein der satte Metallklang, als er ihn auf dem Boden abstellte, schuf Zuversicht.
    Er zog sich das Jackett aus und reichte es Derya, die eifrig die Hände ausstreckte. Saubere im Gegensatz zu meinen. Er lockerte die Krawatte, knöpfte den Kragen auf, popelte die Manschettenknöpfe aus seinen Manschetten, steckte sie in die Hosentasche und krempelte sich die Ärmel hoch. Nur selten hatte Richard Gelegenheit zu beweisen, dass sein ausdauerndes Krafttraining irgendeinem höheren Zweck diente als der männlichen Eitelkeit. Er hob die rote Bombe über den Kopf und hieb sie mit Schwung unterhalb des Lichtlochs in die Ziegelwand. Es staubte, Derya hustete, Finley zuckte zusammen. Doch die Wand stand so fest wie vorher.
    Dagegen wusste ich schlagartig, von wem die Macbeth-Mail war: von Wagner. Ich nenne ihn immer den Hacker. In der realen Welt hatte er einen anderen Namen und verdiente ein Heidengeld als IT -Sicherheitsberater für große Firmen. Zuweilen erledigte er für mich eine Recherche im Labyrinth der elektronischen Unterwelt. Wenn er sich die Mühe machte, mir eine E -Mail zu schicken, mit der er mir bewies, dass er wusste, wo ich war, dann wollte er mir damit etwas Wichtiges sagen. »Klappe zu und aus!« Also Handy aus. Ganz aus. Und nicht nur ganz aus, sondern auch Akku oder Sim-Karte raus, hatte er mir mal erklärt. Dabei hatte er mir gezeigt, wie leicht es war, in ein Handy einzudringen und SMS , E -Mails und Notizen mitzulesen, Telefonate mitzuhören und es als Abhörwanze zu benutzen, wobei es für mich aussah, als sei es ausgestellt. Die Programme dafür konnte jeder einfach so im Internet kaufen.
    »Mach dein Handy aus, Richard«, sagte ich. »Wir sind auf dem Schirm von irgendwem. Du auch, Derya. Und Sie, Finley! Sicher ist sicher.«
    Richard ließ den Feuerlöscher sinken. »Wie kommst du darauf?«
    »Wagner hat mir eine Nachricht geschickt.«
    Richard stellte keine weiteren Fragen. Er setzte den Feuerlöscher auf dem Boden ab, zog sein Handy und stellte es aus.
    »Aber wieso denn?«, begehrte Derya auf.
    »Wenn wir schon dabei sind«, sagte ich, »dann verrate uns doch auch gleich, wem du von unserer Reise nach Edinburgh erzählt hast.«
    »Aus welchem Grund hätte ich annehmen sollen, dass sie geheim ist?«
    »Wem hast du davon erzählt?«
    »Ich bin dir keine Rechenschaft schuldig, Lisa! Und mir gefällt dein Ton nicht.«
    »Ladies and Gentlemen!«, rief Finley. »Wir sind alle etwas nervös.«
    Ich atmete aus. »Übrigens wäre es gut, wir nähmen vorerst auch die Sim-Karten heraus.«
    »Aber ich weiß nicht, wie das geht!«, nörgelte Derya.
    In meinem Fall wusste ich es zwar, aber mir fehlte der spitze Gegenstand, die Büroklammer oder Nadel, um die Sim-Karte zu lösen. In den Tiefen meiner Jackentasche fiel mir Rosenfelds Nadel mit dem Freimaurerzeichen in die Finger. Sie musste zwischen Geldbeutel und Handy gesteckt haben, als ich gestern Nacht den Inhalt meiner Taschen vom Blazer in die Lederjacke umräumte. Damit ging es. Finley hatte eine alte Klingelbox aus dem polyphonen Zeitalter, da pulte man sich tief unter den Akku. Richards Handy war wiederum von meiner Klasse. Er übergab es mir und ließ mich stupfen. Derya schaffte es am Ende bei ihrem selbst. Aber immer erst mal Aber sagen!
    Inzwischen nahm Richard den Feuerlöscher wieder auf. Derya schaute zu. Ja, er war in Bestform, allemal für sein Alter. Die Muskeln seiner Unterarme bollerten lustvoll, Schweiß lief ihm die Schläfen hinab und malte Linien in den Staub auf seiner Haut. Zähne schimmerten zwischen seinen Lippen. Beim vierten Schlag purzelten mehrere Ziegel nach außen und schufen eine Scharte. Finley konnte, wenn er sich reckte, hinausschauen.
    »Eine Baugrube. Wunderbar. Wir sind am Cow Gate. Go on!«
    So haute Richard uns da raus. Wir konnten uns endlich durch die Scharte im Mauerwerk hinausquetschen. Es ruinierte Deryas Blazer. Ich hatte

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