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Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition)

Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition)

Titel: Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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und es als Panne bezeichnet. Eine Scherzmeldung sei aus Versehen veröffentlicht worden. Kann ja durchaus sein.«
    »Glaube ich nicht. Ich glaube, Shinobi hat das Twitter-Konto der New York Times geknackt, und das wollen die nicht zugeben.«
    »Aber dieselbe Meldung ist, wenn ich die Berichte richtig verstanden habe, auch in den Tweets von anderen großen Zeitungen erschienen, Le Monde , El País , London Times , Prawda  … Hat er alle diese Konten geknackt?«
    »Warum nicht?« Aber reichte ein verrückt gewordener Tweet, um eine Havarie auszulösen? »Wirkt, als hätte es jemand darauf angelegt, dass wir heute nach Iona fahren können. Das ist krass.«
    »Es ist absurd.«
    Auf der anderen Straßenseite tauchte hinter Mauerpfosten, Briefkasten und Schild ein kleiner Laden auf.
    Zum Glück hielt Richard Cipión an der Leine, und zum Glück kurz. Und zum Glück war er reaktionsschnell und zupackend. Sonst wäre ich direkt in den dunklen Transporter hineingelaufen. Und wäre Cipión wie üblich eine halbe Dackellänge vor mir gegangen, hätte es ihn weggerissen und zermatscht.
    »Jesses!« Ich hatte wieder mal zuerst nach links geschaut.
    Die Bremslichter des schwarzen Transporters leuchteten kurz auf, dann verloschen sie. Das Auto beschleunigte und verschwand. Die gelben Kennzeichen ließen in Großbritannien keine Rückschlüsse auf die Heimatstadt des Fahrers zu. Es gab auch keinen Grund, mir das Nummernschild zu merken. Es war ja nichts passiert.
    Ich atmete aus.
    Nachdem wir wie aufgeregte Kinder am Straßenrand mit klopfendem Herzen zuerst nach rechts, dann nach links geschaut hatten und auch bestimmt kein Auto kam, überquerten wir die Straße. So kamen wir wieder zu Zigaretten und Richard zu einer Zeitung.
    Unsere Bruchlandung war anscheinend ein reales Ereignis, das reich bebildert mehrere Seiten füllte.

27
    Im Fährhafen von Oban – auch so eine schwarze Stadt, die in den Himmel stachelte – sah ich den dunklen Transporter wieder. Er fuhr vor uns auf die Fähre nach Craignure. Als er dort die Fähre verließ, erkannte ich einen jungen Mann und eine junge Frau hinter der Frontscheibe. Obgleich der Hafen auf der Insel Mull nur aus einem Anleger und einer Straße bestand, verlor ich den Transporter sofort aus den Augen. Was mich aber nicht weiter kümmern musste.
    Die Straße bestand aus einer Fahrspur mit Buchten zum Ausweichen und machte aus 34 Meilen quer über die Insel eine große Reise durch eine Wildnis grüner Wellen, aus denen gelegentlich ein Fels hervorlugte, für den die Moosdecke nicht mehr gereicht hatte. Die Wolken hingen tief und ließen befürchten, dass wir am Ende nicht mehr zwischen Himmel und Erde hindurchpassen würden. Finley schob eine CD mit Paul McCartneys Mull of Kintyre in den Player. Womit allerdings das Kap von Kintyre gemeint war, eine Halbinsel, die sich woanders gen Irland reckte. »Still take me back to where my memories remain.«
    Am Spätnachmittag erreichten wir Fionnphort. Das war eine Ansiedlung aus weißen Häuschen entlang einer Straße mit Laden, Restaurant, Bed & Breakfast und einer unendlichen Menge von Parkplätzen. Die letzte Fähre nach Iona ging um 18  Uhr. Wir stellten Finleys Wagen am Ferry Terminal ab, wo auch der schwarze Van stand. Er wirkte vor allem deshalb so schwarz, weil die Seiten- und Rückscheiben getönt waren. Ich spickte vorn hinein.
    Viel lag nicht herum. Eine Sonnenbrille, Kugelschreiber, Landkarten und eine Visitenkarte, auf der ich den Schriftzug Edinburgh Evening News erkennen konnte. Offenbar interessierte sich die Presse bereits für den Spuk auf Iona.
    Der Anleger befand sich in einer felsigen Bucht, wo die Fähre schon lag. Möwen hingen im Wind, kreischten und blickten lauernd auf uns herab. Fressen Möwen Dackel? Cipión schien sich nicht sicher zu sein. Er trottete mit angelegten Ohren dicht neben mir her.
    Auf der anderen Seite des schmalen Wasserstreifens sah man eine grüne Erhebung, die Finley uns als Iona vorstellte. Die Insel sei so klein, wie sie aussah, keine fünf Kilometer lang, vielleicht anderthalb breit. Die höchste Erhebung hieß Dùn Ì und war hundertundeinen Meter hoch. Davor stand, eigenartig fremd, verloren und zugleich gigantisch, eine mächtige alte Abtei mit viereckigem Turm und massiven Gebäuden.
    Das hatte ich nicht erwartet.
    Richard kannte Iona schon, wenn auch nur aus einem Reisebericht von Theodor Fontane mit dem Titel Jenseits des Tweeds , womit nicht der Stoff, sondern der Fluss gemeint war, der

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