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Totenstimmung

Totenstimmung

Titel: Totenstimmung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Kuesters
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habe bei ihm angerufen, im Geschäft und in seinem Lager. Er meldet sich auch nicht auf seinem neumodischen Mobildings. Das Geld dafür hat er von mir zum Geburtstag bekommen. Ich bin so etwas wie eine Ersatzmutter für ihn. Ich koche auch immer sein Lieblingsessen. Linsensuppe mit ordentlich Speck und Würstchen. Das hat er noch nie versäumt. Wenn er einmal nicht konnte, habe ich vorgekocht und ihm ein paar Portionen zurechtgemacht für unterwegs. Er hat so ein Campingdings dabei, darauf hat er sich die Suppe dann warm gemacht. Man weiß ja nie, was einen in der Fremde erwartet, hat mein verstorbener Mann immer gesagt. Linsensuppe hat der nicht gemocht. Dafür aber Grünkohl. Und das auch mitten im Sommer. Versuchen Sie mal, im Sommer frischen Grünkohl zu bekommen. Das geht gar nicht. Zum Glück hatte ich ja immer genug eingekocht. Na ja, nu isser ja schon lange tot.«
    Bevor die alte Dame noch mehr aus ihrem Leben erzählte, nahm Polizeioberkommissar Volker Bader sie am Arm. »Kommen Sie, wir fahren ins Präsidium.«
    »Warum nicht gleich so?« Bevor sie einstieg, klopfte sie mit dem Gummiende ihres Stocks mehrfach gegen das Autoblech. »Der ist doch sicher?«
    »Sie werden sich so sicher fühlen wie in Abrahams Schoß.«
    »Das glaube ich erst, wenn wir angekommen sind.«

»Ihre Tante ist hier.«
    Hendrik Jennes sah erstaunt auf.
    »Sie hat Sie schon ein paar Tage nicht gesehen und sich Sorgen gemacht.« Frank schloss die Bürotür und trank einen Schluck Kaffee aus seinem Becher.
    »Dann kann ich ja gehen.« Jennes richtete sich auf.
    »Ich habe nicht gesagt, dass Sie gehen können. Sie haben mir meine Fragen noch nicht beantwortet.« Frank setzte sich Jennes gegenüber.
    »Sie phantasieren. Bisher haben Sie mich nicht überzeugt.« Hendrik Jennes sah Frank abschätzig an. »Sie tun Ihre Arbeit nicht, Borsch. Schade. Ich habe mich in Ihnen getäuscht.« Der Antiquitätenhändler lächelte bedauernd.
    »Sie sind nicht in der Position, mir auch nur das Geringste bescheinigen zu können. Schon gar nicht, dass ich meine Arbeit nicht mache.« Frank beugte sich vor. »Wir sind kurz davor, Ihnen die Morde nachzuweisen. So sieht’s aus, Jennes.«
    »Bitte.« Jennes machte eine einladende Handbewegung.
    »Also noch einmal von vorne: Woher beziehen Sie Ihre Ware? Über welche Wege kommt sie hierher?«
    Ein Lächeln flog über Jennes’ Gesicht. »Das habe ich Ihnen doch schon gesagt. Meine Möbel kommen aus dem Osten. Zunächst habe ich in Sachsen und Thüringen Scheunen, Ställe und Dachböden durchstöbert. Das ist zwanzig Jahre her. Nun muss ich weiter fahren: Polen, Rumänien, Russland, sogar Moldawien habe ich auf meiner Liste. Aber bevor Sie fragen, ich fahre längst nicht mehr selbst, nur noch in ganz speziellen Fällen. Ich habe ein funktionierendes Netzwerk.«
    »In speziellen Fällen? Wenn Sie das andere ›Material‹ brauchen. So ist es doch?«
    »Ich verstehe Sie nicht.«
    »›Minderwertiges‹ Leben, Jennes, das meine ich. Sie haben Behinderte eingeschleust und für Ihre Zwecke missbraucht. Wir werden Ihnen das nachweisen. Wir werden Ihre Kontakte aufdecken, und dann sind Sie dran.«
    »Minderwertig? Denken Sie daran, Borsch, das haben Sie gesagt. Nicht ich. Minderwertiges Leben.« Jennes legte den Kopf schief, als würde er dem Klang der Worte nachhorchen.
    »Wir haben bereits die ersten Ergebnisse aus Polen bekommen. Sie werden nicht mehr lange leugnen können.«
    »Ach, hören Sie schon auf, Borsch, Sie drehen sich im Kreis. Sie haben nichts in der Hand. Sie spinnen sich diese Geschichte zusammen. Und das dazu noch schlecht. Strengen Sie sich an. Für Versager ist mir meine Zeit zu schade.«
    »Ist es das, Jennes? Scheuen Sie den Kontakt zu Versagern, zu Behinderten, weil Sie sich selbst minderwertig fühlen? Weil Sie Angst davor haben, als nicht vollwertig, als nicht normal akzeptiert zu werden?« Frank beobachtete die Veränderungen in Jennes’ Gesichtsausdruck. Der Blick schwankte zwischen Entsetzen und einer dunklen Leere. »Und soll ich Ihnen was sagen, Jennes? Sie sind in der Tat nicht normal. Sie sind krank. Und ich werde dafür sorgen, dass Sie das endlich akzeptieren und dass Sie aussagen.«
    Jennes’ Schweigen war ihm Hinweis genug, dass er ins Schwarze getroffen hatte.
    »Gestehen Sie, und es wird Ihnen besser gehen.«
    Jennes schnaubte verächtlich. »Diese Psychospielchen ziehen bei mir nicht.«
    Johanna Eßers sah Frank misstrauisch an. »Es geht nicht um die Puppe aus dem

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