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Totenstimmung

Totenstimmung

Titel: Totenstimmung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Kuesters
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sich nach Lisas Fehlgeburt und Violas traumatischem Einsatz gegen das Drogenkartell geschworen, in ihr nie mehr etwas anderes zu sehen als eine ausgezeichnet ausgebildete Kollegin.
    Er spürte, dass er sich geirrt hatte.
    »Frank? Die Musik ist aus.«
    »Was?« Frank öffnete die Augen und hatte das Gefühl, in ein außerirdisches, gleißendes Licht zu sehen. Es dauerte einen Augenblick, bis er wieder wusste, wo er war.
    »Leg was anderes auf«, forderte Viola ihn auf, obwohl er der Gast in ihrer Wohnung war.
    »Viola, ich –.«
    »Green Day. September . In der oberen Reihe, ganz links.« Viola Kaumanns hielt ihre Augen geschlossen.
    Er hätte zu gerne ihre Gedanken gelesen. »Viola …« Er war aufgestanden, um zum CD -Regal zu gehen. Dabei musste er an ihr vorbei. Sie war nur eine Handbreit von ihm entfernt.
    »Nee, warte. Lieber was Hartes, glaube ich. Guns N’ Roses. Oder Led Zep.«
    »Ich –.«
    Viola öffnete die Augen. »Setz dich, Frank.«
    Sie hatte nicht an ihre gemeinsame Vergangenheit gedacht, ihr Verstand hatte sich offenbar mit Jennes beschäftigt.
    »Jennes ist euer Mann.«
    Frank hatte sich gehorsam wieder auf das Sofa gesetzt. Er trank einen Schluck. Er spürte, dass er dabei war, die Kontrolle zu verlieren.
    »Davon bin ich überzeugt. Aber ich kann ihm nichts nachweisen.«
    »Ihr müsst Tommy befragen. Ganz vorsichtig. Vielleicht kann er euch doch helfen. Wer weiß, ob er nicht etwas gehört oder gesehen hat. Fahr mit ihm zu Jennes und beobachte, was passiert. Es kann nicht schaden. Und wenn du achtgibst, wird auch Tommy keinen Schaden davontragen. Sprich mit seiner Betreuerin. Sprich mit Tommy über Schmetterlinge. Schmetterlinge haben eine große Bedeutung.«
    »Wie kommst du darauf?« Frank war irritiert über Violas Selbstsicherheit.
    »Frag nicht. Ich weiß es einfach.«
    Ihre beiden Sätze standen wie gemeißelt auf dem gläsernen Couchtisch, der sie voneinander trennte.
    Er musste es jetzt wissen. »Viola –.«
    »Jennes will, dass ihr ihn findet.«
    »Was?« Frank war nicht bei der Sache.
    »Jennes ist krank. Er weiß, dass er krank ist. Und er weiß, dass er sich nicht selbst heilen kann. Dass es für ihn keine Heilung gibt. Durch nichts und niemanden. Außer ...«
    »Ja?«
    »Außer durch jemanden, der ihm ebenbürtig ist. Nur dieser Jemand kann seinen Qualen ein Ende machen. Das ist seine Phantasie, und das ist die Welt, in der er lebt. Jennes’ Gefühlswelt ist zutiefst zerstört. Seit den Stunden in diesem Keller, von dem seine Tante gesprochen hat. Er hat kein Vertrauen mehr in Menschen, und er hat kein Vertrauen mehr zu sich selbst. Sein Urvertrauen, die wichtigste Basis für das Leben und Überleben eines Menschen, ist zerstört. Solche Menschen entwickeln Neurosen, die ihr ganzes Leben bestimmen. Zwanghafte Ticks, die sie bis an ihr Lebensende terrorisieren. Kranke Menschen wie Hendrik Jennes sind ein Pulverfass. Wenn sie keinen Ausweg mehr wissen, töten sie, damit sie den Schrecken in ihrer Seele töten. Aber sie können dadurch nur für kurze Zeit Linderung finden. Bis der Druck wieder unerträglich wird. Oder bis sie von ihrem Leiden erlöst werden. Jennes will durch dich erlöst werden. So pervers das klingt: Seine Taten sind verzweifelte Hilferufe. Er will, dass sein katastrophales Leben endlich ein Ende hat.«
    »Und wie kommt er ausgerechnet auf mich?« Frank hätte gerne seine Hand nach Viola ausgestreckt. Er hätte sich gerne an sie angelehnt, sie hatte eine so starke Ausstrahlung.
    »Findet diesen Keller, und ihr findet euren Täter. Konfrontiert Jennes mit eurer Ermittlungsarbeit. Zeigt ihm, dass ihr ihn beherrscht, und er wird sich in eure Hand begeben – und glücklich sein. So abenteuerlich das jetzt klingen mag.«
    »Warum ausgerechnet ich?«
    Viola lächelte Frank an. Bisher hatte sie wie in Trance gesprochen. »Weil du ein Bulle bist. Weil du ein verdammt guter Bulle bist.«
    Bulle. Das hatte bislang nur Lisa zu ihm gesagt. In ihren zärtlichen Momenten.
    »Weil du oft in der Öffentlichkeit stehst. Er wird deinen Namen und dein Bild in der Zeitung gesehen haben. Und«, sie nickte, bevor sie weitersprach, »weil du Mundharmonika spielst. Er wird von euren Auftritten gelesen haben. Ein Bulle, der Bluesharp spielt: Einen besseren Heilsbringer konnte er nicht finden.«
    »Was hat das damit ...?« Frank konnte den Satz nicht zu Ende sprechen.
    »Denk daran, was seine Tante dir erzählt hat: dass ihr Bruder Mundharmonika gespielt hat. Die Mundharmonika muss

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