Totenstimmung
werden ihn auf jeden Fall im Auge behalten.« Frank deutete auf den Jungen mit der schwarz-weiß gestreiften Kappe. »Kannst du mir mal sagen, warum der Typ einfach losläuft? Der spinnt doch. Der hört mit seinen Stöpseln doch nichts.«
»Der will einfach nur cool sein. Bist du früher etwa an jeder Ampel stehen geblieben?« Ecki schmunzelte.
»Hast du gesehen, wie der geguckt hat? Als hätte ich sie nicht mehr alle. Außerdem könnte er ein paar Kilo abspecken.«
»Man merkt, dass du keine Kinder hast. Die Jugendlichen heute ticken ganz anders.«
»Und du bist da Experte?«
»Nee, aber Vater von zwei Kindern.«
Frank musste grinsen. »Kennst du den Spruch: Früher waren Dick und Doof zwei Leute, heute reicht dazu ein Vierzehnjähriger?«
»Du und deine Witze.« Ecki deutete auf die Ampel und stieß seinen Freund an. »Grün. Und, Action.«
»Wir haben uns noch einmal die Finger angesehen.« Leenders hatte, ohne anzuklopfen, die Tür zu Franks und Eckis Büro aufgestoßen und dabei einen dünnen Aktendeckel geschwenkt. Nun hielt er vergeblich nach einem Aschenbecher Ausschau.
»Da sind wir aber gespannt.« Frank freute sich diebisch, dass Leenders seine Selbstgedrehte unverrichteter Dinge in sein Tabakpäckchen zurückstecken musste.
»Ihr habt ja nicht mal einen Ascher für mich.« Mad Doc verzog das Gesicht. »Und könnt ihr bitte diese schrecklich Musik abstellen?«
» You’re Gonna Find Your Mistake. Rauchfreie Zone, Leenders.«
»Hä?«
»Junior Kimbrough, God Knows I Tried .«
»Bist du jetzt völlig durchgeknallt, Borsch? Kann ich mich wenigstens setzen?«
»Such dir einfach einen Platz.« Grinsend wies Ecki auf den einzigen freien Stuhl.
Leenders setzte sich und betrachtete missmutig das gerahmte Poster mit den ineinander verschlungenen weißen und schwarzen Fingern, das an der Wand hing. Ohne Kippe hatte er wenig Lust, den beiden seine Ergebnisse vorzulegen.
Frank deutete auf das Bild. »Schön, was? Blues News heißt die dazu gehörende LP . Wirklich rares Vinyl in Weiß mit schwarzem Label. Und, was ist jetzt mit deinen Fingern?«
Richard Leenders benutzte den Aktendeckel als Fächer. »Ihr solltet lieber mal zuhören, wenn Leif Ove Andsnes spielt.«
Ein müdes »Aha« war die einzige Antwort.
»›Klavier‹ ist das Stichwort«, legte Leenders nach.
»Nee, Finger.« Ecki wollte endlich zur Sache kommen.
»Banausen. Aber wie auch immer«, der Gerichtsmediziner stellte das Wedeln ein, »also, ein Chirurg hätte die Finger nicht fachgerechter abtrennen können. Der Täter muss über ein gewisses Fachwissen verfügen und auch über das nötige Instrumentarium.«
»Er muss also Mediziner sein?«
»Jedenfalls verfügt er über medizinische Kenntnisse. Die kann er sich als Mediziner angeeignet haben, ja.«
»Oder als Laie mit guter Auffassungsgabe für chirurgische Fakten«, führte Frank Leenders’ Gedanken fort.
»Erraten, Borsch.«
Frank sah Ecki vielsagend an und wandte sich dann wieder an Mad Doc. »Also auch ein Krankenpfleger?«
»Auch ein Krankenpfleger. Ja, unter Umständen. Warum nicht.« Leenders nickte interessiert. »Habt ihr schon einen Verdacht?«
»Einen vagen«, bestätigte Ecki.
»Hm. Ihr solltet außerdem wissen, dass die Frau schon tot war, als ihr die Finger abgenommen wurden.« Leenders wurde unruhig.
»Danke.« Frank hatte Leenders’ Gesichtsausdruck richtig gedeutet. »Trotzdem, rauchen is hier nich.«
Richard Leenders stand auf. »Ich hab sowieso schon alles gesagt. Tach zusammen, Kollegen.«
»Der wird auch immer wunderlicher.« Frank nahm den Bericht an sich, den Leenders liegen gelassen hatte. »Glaubst du jetzt, dass Radermacher unser Mann sein könnte?«
»Zumindest hat er als Krankenpfleger angefangen.«
»Dann sollten wir rausfinden, wo er die Ausbildung gemacht hat.«
»Der wird auf der Chirurgischen genauso gelernt haben wie auf der Gynäkologie.« Ecki zog seufzend das Telefon zu sich. »Ich ruf ihn an.«
»Nee, lass man, ich will ihn nicht aufscheuchen. Wir besorgen uns die Information anders. Unser Bassist arbeitet doch in derselben Branche. Wimo wird sicher seine Quellen anzapfen können, ohne dass er Verdacht erregt.«
—
»Nun komm schon.«
»Da muss ich erst meine Mutter fragen.«
»Sie wird nichts dagegen haben.«
»Die Blumen sind schön. Aber ich hab Hunger.«
»Du hast gerade gegessen.«
»Ich will was essen.«
»Später.«
»Silvia ist traurig. Warum scheint die Sonne? Ich will Fahrrad fahren.«
»Du
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