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Totenstimmung

Totenstimmung

Titel: Totenstimmung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Kuesters
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Päckchen zusteckte.
    »Ist das nicht ein wunderschöner Morgen zum Walken?«
    Sein Sportskamerad sog die Luft hörbar ein.
    Schrievers tat es ihm gleich. »Es geht doch nichts über die kühle Luft eines Frühlingsmorgens. Schade, dass ich mich mit Vogelstimmen nicht auskenne.«
    »Geht mir genauso, aber ich habe mich auch nie sonderlich für die Natur interessiert.«
    Schrievers begann leise zu schnaufen. »Mein Onkel war ganz begeistert von den Tieren des Waldes. Wenn wir unterwegs waren, konnte er alle Vögel bestimmen. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass er den Eichelhäher besonders schön fand. Ich weiß bis heute nicht, wie dieser Vogel aussieht.«
    »Musst du in deinem Beruf ja auch nicht.« Dietmar Gilleßen wischte sich mit dem Schweißband über die Stirn.
    »Sag das nicht. Solches Wissen kann manchmal entscheidend sein. Aber ich fürchte, so was lernen die Kinder heutzutage in der Schule nicht mehr.«
    »Ich finde es eher bedauerlich, dass der Jugend so wenig Kultur vermittelt wird. Und fächerübergreifende Bildung gibt es leider schon lange nicht mehr. Erkunden, ›was die Welt im Innersten zusammenhält‹! In diesem Sinn sind sie bedauernswerte Geschöpfe.«
    »Ich weiß nicht, ob man das so sagen kann.«
    »Ich gehe sogar noch ein Stück weiter. Ich behaupte, dass sie regelrecht zu Behinderten erzogen werden, sie werden geistig dumm gehalten. Damit macht man sie zu einer gleichförmigen Masse, die leicht zu manipulieren ist.« Gilleßen fuhr sich mit dem Arm über das verschwitzte Gesicht.
    Das wurde Schrievers dann doch zu extrem.
    »Lass uns von was anderem reden, die Bildungsdiskussion ist mir zu anstrengend, zumindest beim Walken.«
    Gilleßen lachte kurz auf. »Du hast recht. Ich bin nur darauf gekommen, weil ich in meinem Elternhaus durch eine harte Schule gegangen bin. Erzähl mir lieber, woran du gerade arbeitest.«
    »Du weißt, dass ich über solche Dinge nicht sprechen darf. Das möchte ich beim Sport auch gar nicht, um ehrlich zu sein.«
    »Schade.« Dietmar Gilleßen beschleunigte unmerklich. »Wir sollten ein wenig schneller werden, wir haben gar nicht aufs Tempo geachtet.«
    Schrievers sah auf seinen Pulsfrequenzmesser. »Stimmt. Ein bisschen geht noch.«
    Und dann erzählte er doch noch aus dem Alltag im Präsidium: vom Bürohengst Laumen und seinen gelben Pullundern; von Frank und Ecki und ihrem Streit um den einzig wahren Musikgeschmack; und davon, dass Laumen seit Jahren versuchte, den beiden den in ihren Dienstwagen angeblich illegal eingebauten CD -Player wieder abzujagen.
    »Spannend. Ich mag diese Geschichten. Sie machen die Polizei so menschlich.«
    »Also, was hast du denn gedacht, was wir sind?«
    »Polizeibeamte sollen anderen Menschen helfen und andere Menschen schützen.«
    »Na, und das macht sie unmenschlich? Verstehe ich jetzt nicht.«
    In den folgenden Minuten waren nur das metallene Tack-tack der Walkingstöcke und das Schnaufen von zwei gewichtigen Männern zu hören, die mit hochroten Köpfen offenbar versuchten, einander in Tempo und Taktfrequenz zu übertreffen.
    In unregelmäßigen Abständen mussten sie Joggern und Radfahrern Platz machen, die an diesem sonnigen Vormittag den Niersweg ebenfalls als Fitnessstrecke nutzten.
    »Sind ’ne Menge Leute unterwegs heute. Wie viel Zeit hast du?«
    »Na, wenn du Lust hast, hängen wir noch eine Runde dran. Ich habe so viele Überstunden, dass ich das locker verantworten kann. Außerdem habe ich meine erste Besprechung erst nach Mittag.« Schrievers wischte sich den Schweiß von der Stirn.
    »Gerne. Auf mich wartet sowieso nichts Bestimmtes.«
    Der Archivar lachte. »Ihr Selbstständigen habt es gut. Ihr könnt euch eure Zeit einteilen, wie ihr wollt.«
    »Na, so ganz stimmt das auch nicht.«
    »Also, ich bin schon froh, dass ich meinen geregelten Dienst habe. Ich will ja abends bei meiner Gertrud sein.«
    »Willst du mich nicht mal besuchen kommen? Dann könnten wir unser Gespräch über die Kultur und das Missverhältnis von Jugend und Universalbildung gerne vertiefen.«
    Danach stand ihm zwar nicht der Sinn, trotzdem antwortete Schrievers höflich: »Bei nächster Gelegenheit gern, Dietmar.«
    »Schön. Dann zeige ich dir auch meine Sammlungen.«
    Schrievers schnaufte unverbindlich. Gertrud würde dazu sicher keine Lust haben. »Solange das keine abendfüllende Diashow wird, habe ich damit kein Problem.«
    »Keine Sorge, ich bin sicher, es wird dir gefallen.«
    »Wo wohnst du eigentlich?«
    »Gar nicht weit

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