Totenstimmung
fassen und sie fielen mit lautem Scheppern um. Sofort verstummten alle Gespräche. Jasmin Köllges fühlte sich wie auf dem Präsentierteller, als sie sich mühsam nach ihnen bückte und dann langsam zum Ausgang humpelte.
Frank zog den gelben Post-it-Zettel von seinem Bildschirm ab und sah Ecki an. »Warst du das?«
Ecki grinste. »Ich kann das auch. Nicht nur Lisa.«
Frank las laut. »Meine Lieder sind Zeremonien des Todes. Christa Päffgen.« Er sah seinen Freund an. »Das klingt ja ziemlich morbide. Woher hast du den Spruch? Und kennst du Christa Päffgen?«
»Hab ich vergessen. Irgend so eine durchgeknallte Musikerin, glaube ich, die schon lange tot ist. Der Spruch liegt schon ein paar Tage bei mir zu Hause. Ich habe ihn in einer Illustrierten beim Orthopäden gelesen.«
Frank wunderte sich, dass Ecki sich die Mühe gemacht hatte, das Zitat aufzuheben. Das war eigentlich nicht seine Art. »Und was willst du mir damit sagen?«
»Nix. Ich habe an unseren Fall gedacht und fand ihn irgendwie passend. Na ja, vielleicht ist er mir auch aufgefallen, weil ich denke, dass du mal deinen Musikgeschmack überprüfen solltest. Immer Blues, das ist doch deprimierend. Das hält doch kein normaler Mensch aus.«
Frank sparte sich die Frage, ob die Fans der Volksmusik eher in die Kategorie »normal« fielen.
»Warum sagst du nichts?« Ecki grinste.
»Nico. Päffgen nannte sich Nico. Ein Supermodel, Muse von Warhol, Geliebte von Jim Morrison, Heroin.«
»Zeremonien des Todes.« Ecki sah Frank fragend an. »Die muss ja ziemlich durchgeknallt gewesen sein.«
»Wie unser Täter. Kann sein, dass er ebenfalls Zeremonien des Todes für uns abhält, nur hören wir die Melodie dazu nicht.« Weiter kam Frank nicht, denn das Telefon klingelte.
»Wann, meinen Sie, kann ich die Stühle abholen? Heute in sechs Wochen? Hm. Ich hatte gehofft, dass es schneller geht. Ja, ich verstehe schon, dass Sie Ihre Arbeit sorgfältig ausführen. Ja, natürlich haben Sie auch noch andere Kunden.« Lisa legte auf und ging zum Fenster. Sie sah hinüber zum Schmölderpark, der ihr in unterschiedlichen Grüntönen entgegenleuchtete. Sie hatte sich so darauf gefreut, endlich die restaurierten Stühle aufstellen zu können.
Seufzend beobachtete sie eine junge Mutter, die mit zwei kleinen Kindern an der Hand in den Hauptweg des Parks einbog.
Lisa war sich nicht mehr sicher, dass Frank ihre Vorfreude wirklich teilte. Er war so mit seinem Fall beschäftigt, dass er sich kaum Zeit nahm, um mit ihr mehr als nur den Alltag zu besprechen. Dabei waren sie noch vor einigen Wochen voller Vorfreude gewesen und hatten sich intensiv um ein gemeinsames Zuhause gekümmert. Nun war die Euphorie wieder verflogen.
Nicht zum ersten Mal. Sie legte ihre Hand auf die Fensterscheibe, als könne sie das frische Frühlingsgrün mit ihren Händen greifen. Sie vermisste Frank, sein Lachen und seine Zärtlichkeit. Aber mehr noch vermisste sie sein klares Bekenntnis zu einer gemeinsamen Zukunft.
Entschlossen stieß sie sich vom Fensterbrett ab. Zeit für einen Tee. Frank hatte versprochen, nicht zu spät zu kommen. Sie würde ihm vorschlagen, zum Türken essen zu gehen. Auf neutralem Boden ließen sich manche Dinge einfacher besprechen.
Lisa ging in ihr Arbeitszimmer und fuhr den PC hoch. Sie wollte die Zeit nutzen und den Unterricht für den kommenden Tag vorbereiten. Außerdem musste sie sich Gedanken über die anstehenden Klausuren machen. Bevor sie jedoch mit ihrer Arbeit begann, legte sie Easy Come Easy Go von Marianne Faithfull auf.
Während sie in der Küche einen Tee aufbrühte, sang sie lauthals die Dolly-Parton-Nummer Down from Dover mit. Bei der letzten Strophe liefen ihr Tränen über die Wangen: My body aches the time is here it’s lonely in this place where I’m lyin’. Our baby has been born but something’s wrong it’s much too still I hear no cryin’. I guess in some strange way she knew she’d never have a father’s arms to hold her. And dying was her way of telling me he wasn’t coming down from Dover.
Frank legte den Hörer auf. »Radermacher ist in Kaldenkirchen gesehen worden.«
»In Kaldenkirchen? Wir denken, er ist irgendwo im Ausland untergetaucht, dabei spaziert er quasi vor unserer Nase herum. Worauf warten wir noch?«
»Langsam, Ecki. Bisher weiß ich nur, was die Kollegin Janz aus Viersen gerade erzählt hat. Demnach soll Radermacher auf einer Art Gehöft leben, mitten in Kaldenkirchen. Eine Frau hat beim Bummel in Viersen das
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