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Totentaenze

Totentaenze

Titel: Totentaenze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian , Krystyna Kuhn , Manuela Martini , Susanne Mischke
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Augen.
    »Dasselbe hab ich von dir gedacht.«
    »Von mir?«
    Er nickt. »Ja, du kannst manchmal ganz schön gemein und vernichtend sein.«
    Ich schlucke. »Aber deshalb bringe ich doch niemanden …«
    »Tut mir leid«, er lächelt ein bisschen, »manchmal verselbstständigen sich die Gedanken und Bilder im Kopf, dann reimt man sich alles Mögliche zusammen und plötzlich erscheint alles ganz …«
    »… ganz logisch«, beende ich den Satz.
    »Ja.«
    Ich drehe mich um und schaue aufs Meer hinaus. Hoffentlich finden sie Darian dort unten, in dieser Stadt des Todes. Dort, wo Levke ihr Leben lassen musste. Dann, auf einmal, fällt eine schwere Last von meinen Schultern und ich lasse den Tränen freien Lauf. Da spüre ich Sebastians Hand, die meine hält, und diesmal lass ich sie nicht los. Sie ist ganz warm und plötzlich friere ich nicht mehr.

Susanne Mischke: Die schwarze Seele des Engels
    Als Klara an jenem Montagmorgen unsere Klasse betrat, wurde es augenblicklich still. Bereits am Freitag hatte Frau Hagedorn die Ankunft einer neuen Schülerin angekündigt, aber die meisten von uns hatten das bis zum Montag längst wieder vergessen. Doch nun stand sie neben unserer Klassenlehrerin vor der Tafel und wir konnten nichts anderes tun, als sie anzustarren: Gesichtszüge wie in Marmor gemeißelt, die Nase schmal und gerade, die Oberlippe sanft geschwungen. Ihre Haut war hell und ohne jeden Makel, sie war nicht geschminkt. Dunkelbraunes Haar umspielte ihre Schultern in sanften Wellen, sie trug Jeans ohne Gürtel, ein schlichtes graues T-Shirt und keinerlei Schmuck. Wozu auch?, dachte ich. Dieses Mädchen brauchte weder Schmuck noch Make-up und auch keine Designerklamotten. Die würde noch schön sein, wenn sie sich einen Müllsack umhängte. Seltsamerweise empfand ich keinen Neid. Vielmehr musste ich instinktiv an die Siamkatze meiner Großmutter denken. Wann immer ich dieses Tier betrachtete – wollte man sein Augenlicht behalten, beließ man es beim Betrachten und fasste die Katze besser nicht an –, gelangte ich zu der Erkenntnis, dass auf diesem Planeten wahre, perfekte Schönheit tatsächlich existierte. Beide, die Katze und das Mädchen, besaßen extrem blaue Augen, aber das war es nicht allein, worin sie einander ähnelten. Sie hatten dieselbe Ausstrahlung: stolz, erhaben, unnahbar. Gefährlich.
    »Ruhe bitte!«, verlangte Frau Hagedorn, aber das hätte sie sich getrost sparen können, denn so leise wie jetzt war es in unserem Klassenzimmer seit Menschengedenken nicht gewesen. Die ganze 9 b saß da wie eingefroren.
    »Ich möchte euch Klara Zink vorstellen, eure neue Mitschülerin. Ich hoffe, ihr werdet ihr dabei helfen, sich hier an unserer Schule einzugewöhnen.«
    Langsam wich die Starre von uns, ein paar Pfiffe kamen von den hinteren Bänken. Den Jungs hingen ihre Gedanken deutlich wie Sprechblasen über den Köpfen.
    »Gleich läuft Philipp der Sabber aus dem Mund«, wisperte Vanessa mir zu und ich musste grinsen. Kurz blickte ich zu Philipp hinüber, dann klebte mein Blick sofort wieder an der neuen Mitschülerin. Es war wie Magie, man musste sie einfach ansehen.
    Dabei hätte ich nicht in ihrer Haut stecken wollen. Es war gewiss nicht angenehm, mitten im Schuljahr in eine neue Klasse zu kommen und sich von vierundzwanzig Schülern begaffen zu lassen. Aber Klara wirkte kein bisschen eingeschüchtert, im Gegenteil: Aufrecht wie eine Zypresse stand sie da und musterte mit großer Ruhe ihre künftigen Klassenkameraden. Einen nach dem anderen scannte sie uns ab, eine Herrscherin, die ihre Untertanen begutachtete. Nun war ich an der Reihe – ich hatte das Gefühl, als ginge ihr Blick mitten durch mich hindurch, als sei ich ein Hologramm. Sie durchschaut mich! Ein Schauder kroch mir den Rücken hinab und mich überkam die aberwitzige Vorstellung, dass dieses Mädchen gerade alle meinen kleinen und großen Geheimnisse aufdeckte: meine Angst vor Schlangen und sogar Regenwürmern, meine heimliche Liebe zu Daniel, mein schlechtes Gewissen wegen Joschi … Nur für einen Sekundenbruchteil hielt ich dem Bann von Klaras Augen stand, dann senkte ich den Blick wie ein kuschender Hund und war erleichtert, als die Röntgenstrahlen Vanessa erfassten. Vanessa hatte eine freche Klappe und war für gewöhnlich nicht so leicht zu beeindrucken, doch unter Klaras Sezierblick erstarrte auch sie wie das sprichwörtliche Kaninchen vor der Schlange.
    Frau Hagedorn machte dem ein Ende, indem sie Klara aufforderte, sich hinzusetzen. Es

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