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Totentaenze

Totentaenze

Titel: Totentaenze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian , Krystyna Kuhn , Manuela Martini , Susanne Mischke
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Morgen ließ mir keine Ruhe.
    »Hast du mal fünf Minuten?«
    »Ich schon«, meinte er mit Blick auf meine Sporttasche.
    »Warum hast du Klara heute Morgen ›durchgeknallt‹ genannt?«
    Seine Miene verfinsterte sich. Offenbar war Klara heute nicht gerade sein Lieblingsthema. »Ist doch egal«, antwortete er und stöhnte genervt.
    »Nein, ist es nicht«, beharrte ich. »Also bitte!«
    Er zögerte.
    »Hat sie dir gesagt, dass du es niemandem sagen darfst? Dass du der Einzige bist, der ihr Geheimnis kennt?«
    Mein Schuss ins Blaue hatte gesessen, Daniel rückte mit der Sprache heraus. Klara hatte ihm dieselbe Geschichte erzählt wie Vanessa und mir.
    »Und du hast ihr nicht geglaubt«, schlussfolgerte ich.
    »Ich bitte dich! Zeugenschutz, Spionage, Mord! Wer soll so etwas glauben, du etwa?«
    »Aber das gibt es doch alles!«
    Daniel zuckte die Achseln. »Ich weiß nicht. Mir kam es gelogen vor. Ich weiß nicht, warum, es war einfach so ein Gefühl. Die ganze Geschichte klingt einfach völlig an den Haaren herbeigezogen, finde ich. Das hab ich ihr gesagt und dann war sie sauer. Ich musste ihr hoch und heilig versprechen, dass ich es niemandem weitererzähle. Das hab ich gemacht, ich will sie schließlich nicht blamieren. Aber ich möchte nichts mehr mit ihr zu tun haben, sie ist mir irgendwie unheimlich geworden.«
    »Warum sollte sie so was erfinden?«, fragte ich ihn.
    »Keine Ahnung. Möglicherweise ist sie ein bisschen …« Er vollführte eine scheibenwischerartige Handbewegung vor seinem Gesicht.
    »Daniel, heute Morgen lungerte ein Mann vor der Schule rum, der hat immer zu unseren Fenstern reingesehen«, spielte ich meinen letzten Trumpf aus. Für einen Moment schien Daniel verunsichert, dann erwiderte er: »Und jetzt denkst du, der wollte Klara beschatten, oder was? Was für ein Unsinn! Weißt du, wie viele Leute jeden Tag zufällig vor unserer Schule stehen? Und außerdem kann man da nicht reinschauen, das spiegelt viel zu sehr.«
    Das würde ich gleich morgen nachprüfen, beschloss ich und fragte kleinlaut: »Hältst du mich jetzt für dämlich, weil ich ihr glaube?«
    »Dies ist ein freies Land, jeder kann glauben, was er will.«
    Ich seufzte. Hätte ich nur nicht davon angefangen. Natürlich hielt er mich nun für blöde.
    »Dein Training beginnt«, sagte Daniel und wies mit einer Kopfbewegung hinüber zum Sportplatz, wo sich die ersten Spielerinnen bereits mit kleinen Sprints aufwärmten.
    Mir fiel noch etwas ein: »Warst du eigentlich mal bei ihr zu Hause?«
    Er schüttelte den Kopf. »Nein, wieso?«
    »Wärst du dort gewesen, hättest du ihr vielleicht geglaubt«, erwiderte ich und damit ließ ich ihn stehen.
    Der Trainer warf mir einen vorwurfsvollen Blick zu und tippte auf seine Uhr. Das heutige Training war wichtig, morgen stand ein Match gegen den Tabellenführer an, wir mussten gewinnen, wenn wir uns die Chance auf den Aufstieg noch erhalten wollten. Rasch verschwand ich in der Damen-Umkleide, und während ich mich umzog, war ich in Gedanken immer noch bei dem Gespräch mit Daniel. War Klara wirklich meine Freundin? Warum hatte sie uns dann angelogen, als sie behauptet hatte, nur Vanessa und ich wüssten von ihrem Geheimnis? Was war eigentlich mit ihr los, dass sie uns zu solchen Mutproben trieb wie der Sache mit der Taube und dem Diebstahl? Und was war mit uns los, dass wir uns dazu anstiften ließen? War unser Leben wirklich so öde, dass wir solche Kicks brauchten?
    Ich zog gerade nachdenklich mein knallrotes Trikot über den Kopf, da spielte mein Handy die Anfangstakte der Star-Wars-Filmmusik. Hektisch wühlte ich in der Tasche herum, aber als ich das Handy endlich in der Hand hielt, hatte die Musik aufgehört. Ich warf es zurück in die Tasche und begann, meine Fußballschuhe zu schnüren. Als ich damit fertig war, piepste es. Eine SMS. Herrgott, fluchte ich im Stillen, ausgerechnet jetzt, wo ich in Eile war, nervte mich das Ding. Dennoch warf ich einen Blick auf das Display. Die SMS kam von Klara: Bitte komm sofort zu mir nach Hause und sag niemandem was. Notfall. K.
    Sekunden später stürmte ich aus der Halle. »Ich muss weg«, rief ich dem Trainer und meinen verblüfften Kameradinnen zu. So schnell ich konnte, radelte ich zu Klaras Haus. Mir schwante nichts Gutes. Und deshalb überraschte es mich nicht einmal sonderlich, als ich vor dem Haus den silberfarbenen Golf mit den auffälligen Felgen entdeckte. Er hatte ein Hamburger Kennzeichen. Ich stieg ab und lehnte das Rad an den Gartenzaun.

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