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Totentaenze

Totentaenze

Titel: Totentaenze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian , Krystyna Kuhn , Manuela Martini , Susanne Mischke
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begann auch ich, am ganzen Körper zu zittern. Immerhin hatte ich noch nie eine Leiche gesehen, schon gar nicht eine mit einem Messer im Leib. Jetzt nahm ich auch den Geruch wahr, der in dem Raum herrschte. Es roch nach Blut. Mir wurde noch übler.
    Auch Vanessa näherte sich dem Toten und betrachtete ihn schweigend. Ihrem Zeichentalent verdankte sie einen guten Blick für Details und so bemerkte sie nach einer Weile nachdenklich: »Der sieht dir irgendwie ähnlich.«
    Seine Augen standen weit offen und mir fiel auf, dass sie dieselbe Farbe hatten wie die von Klara, dieses intensive Blau, das ich bis dahin noch bei keinem anderen Menschen gesehen hatte. Ich hatte einen Geistesblitz, und ohne nachzudenken, platzte ich heraus: »Klara, ist das dein Vater?«
    Ich hatte ins Schwarze getroffen. Klaras Augen und Lippen wurden schmal, sie blitzte mich wütend an. »Was redest du da für eine Scheiße?«
    Aber ich spürte, dass ich recht hatte, und hielt ihrem Blick stand.
    Sie presste die Lippen zusammen. »Ihr seid wirklich eine tolle Hilfe.« Immer noch zitterte sie am ganzen Körper. Als ich auf sie zugehen wollte, hob sie abwehrend die Arme. Vanessa und ich warfen uns einen schnellen Blick zu, wir waren beide ziemlich ratlos.
    »Willst du uns nicht sagen, was passiert ist?«, forderte ich Klara so sanft wie möglich auf. »Ich meine, was wirklich passiert ist?«
    In der Küche stehend, den toten, blutüberströmten Körper zwischen uns, erfuhren wir nun endlich Klaras wahres Geheimnis. Mit nüchterner Stimme berichtete sie von den gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen ihren Eltern, die sie hatte miterleben müssen, seit sie denken konnte. »Er hat sie geschlagen, immer wieder. Hinterher hat er jedes Mal rumgeheult, wie leid es ihm tut, und er hat geschworen, dass es nie wieder vorkommen würde. Aber natürlich kam es wieder vor, und wenn ich mich eingemischt habe, dann habe ich auch was abgekriegt. Das erste Mal, als ich sechs Jahre alt war. Weil ich geweint und mich an sein Bein geklammert habe, während er auf Mama eingeprügelt hat. Immer schön auf den Rücken oder auf die Arme hat er geschlagen, immer so, dass man die Striemen und blauen Flecke gut verstecken konnte. Es sollte ja niemand mitbekommen. Nach außen hin waren wir jahrelang die perfekte Familie. Ich habe angefangen, meine Mutter dafür zu verachten, dass sie sich das gefallen ließ, immer wieder habe ich sie angefleht, ihn zu verlassen. Aber er hat gedroht, sie umzubringen, wenn sie das wagt. Denk nicht mal dran, ich finde dich überall, hat er zu ihr gesagt. Einmal sind wir zu meiner Oma. Er hat uns dort abgeholt, hat noch mit uns Kaffee getrunken, war lieb und freundlich. Meine Oma hat zu Mama gesagt, sie solle sich mal nicht so anstellen, Streit würde in den besten Familien vorkommen. Sie gab Mama die Schuld, dass sie geschlagen wurde! Kaum waren wir zu Hause, hat er sie so verprügelt, dass sie eine Woche nicht aus dem Haus konnte.«
    Vanessa und ich lauschten Klaras Schilderungen mit wachsendem Entsetzen. Ich spürte, dass Klara nun die Wahrheit sagte, und fast wünschte ich, sie würde damit aufhören. Aber sie redete weiter: »Er hat sogar mal so eine Therapie gemacht, das musste er, weil er eine Anzeige kriegte. Nachbarn hatten die Polizei geholt. Das war vor zwei Jahren. Die Therapie hat aber auch nichts genützt, jedenfalls nicht lange. Im Gegenteil, im letzten Jahr wurden seine Ausbrüche immer heftiger.«
    Sie unterbrach sich, wandte sich um zum Wasserhahn und trank gierig ein paar Schluck Wasser, ehe sie fortfuhr: »Vor zwei Monaten schlug er sie so, dass sie die Treppe hinunterfiel und sich ein Bein brach. Es war ein komplizierter Bruch, sie hinkt seitdem. Einen Tag vor dem Entlassungstermin habe ich heimlich zwei Koffer für uns gepackt und zu ihr in die Klinik gebracht. Ich habe ihr gesagt, dass ich auf keinen Fall mehr mit ihr zurück nach Hause käme, eher würde ich in ein Heim gehen. Sie hat verstanden, dass ich es ernst meine. Und sie hat sich endlich entschieden, hat die Klinik mit mir verlassen und wir sind hierher gekommen. Wir wollten zusammen ein neues Leben anfangen, weit weg von ihm. Ein paar Tage haben wir in einem Frauenhaus gelebt. Dann hat man ihr eine Stelle vermittelt und Geld vorgestreckt und wir haben dieses Haus hier gemietet. Es ist zwar scheußlich, aber dafür sehr billig.«
    »Warum hast du uns das nicht gesagt?«, fragte Vanessa.
    Klara zuckte die Achseln. »Es ist nichts, worauf man stolz ist, oder?«
    Das

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