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Totentanz für Dr. Siri - Cotterill, C: Totentanz für Dr. Siri - Disco for the Departed

Totentanz für Dr. Siri - Cotterill, C: Totentanz für Dr. Siri - Disco for the Departed

Titel: Totentanz für Dr. Siri - Cotterill, C: Totentanz für Dr. Siri - Disco for the Departed Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Cotterill
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diesem Vortrag gefeilt, gehobelt und geschliffen hatte. Trotz diverser unpassender Vergleiche aus dem Ingenieurswesen war sie ohne Frage das Schönste, was sie je gehört hatte.
    Zwar hatte sie in ihrer Schulzeit durchaus den einen oder anderen Freund gehabt. Zumindest war es damals üblich gewesen, Pärchen zu bilden und miteinander zu »gehen«. Aber die Jungs, mit denen sie sich eingelassen hatte, waren ausnahmslos Versager gewesen. Sie interessierten sich mehr für ihre Brüste als für ihre Seele. Immer wenn sie an diese desaströsen Tête-à-têtes zurückdachte, erinnerte sie die Hautfarbe ihrer Verehrer unweigerlich an Früchte – an das Blassrosa der Lychee, das Braun
des Breiapfels, das Orange der Süßmango -, und genau wie überreife Früchte waren diese Kerle verdorben und widerlich gewesen. Und hatten sie schließlich sitzen lassen. Während Lit seine Ansprache herunterleierte wie ein Fünftklässler den Fahneneid, verliebte sie sich Hals über Kopf in seine Worte. Auch wenn sie sich hinterher an kaum eines entsinnen konnte, weil sie so überwältigt war, dass ihr Gedächtnis sie im Stich ließ. Sie wusste nur noch, dass sie bei der Ausgrabung der Mumie ungeheuren Eindruck auf ihn gemacht hatte. Er hatte ihr gestanden, dass er ständig an sie denken müsse, und ihre Augen mit Sternen verglichen. Was vermutlich auf einen bekannten Schlager zurückging, aber dieses kleine Plagiat verzieh sie ihm gern. Dass er ihre Augen überhaupt bemerkt hatte, genügte ihr. Er hatte ihr seine Vermögenslage und seine Aufstiegschancen dargelegt, und dann, quasi im selben Atemzug, hatte er die Bombe platzen lassen: Er wäre hocherfreut, wenn Schwester Dtui ihm die Ehre erweisen würde, seine Frau zu werden – einfach so, vom Fleck weg, ohne auch nur anzudeuten, dass er die Ware zuvor prüfen wolle.
    So etwas bleibt bei einer Frau nicht ohne Wirkung, zumal wenn sie solch einen Antrag noch nie zuvor erhalten hat. Ein Mann – der nicht nur über zwei gesunde Augen, sondern auch über sämtliche erforderlichen Gliedmaßen verfügte – war ihr so sehr zugetan, dass er sein Leben mit ihr verbringen wollte. Das genügte, um sie die Abneigung, die sie ihm gegenüber empfunden hatte, vorübergehend vergessen zu lassen. Ihre Knie bebten so heftig, dass sie sich auf die Kante eines Bettes setzen musste. Sie brachte kein Wort heraus. Er wiederum war mit seinem Text zu Ende, und so saßen beziehungsweise standen sie stumm
in dem dunklen Zimmer, begleitet nur vom bewusstlosen Zungenschnalzen eines alten Mannes.
    Endlich fand Dtui ihre Stimme wieder. »Ich …«
    »Sie werden vermutlich etwas Zeit brauchen, um über all das nachzudenken«, fiel er ihr ins Wort. »Die Entscheidung liegt ganz bei Ihnen. Ich sollte vielleicht hinzufügen, dass die Bezirkskommission für Partnerschaften und Beziehungen unseren Antrag auf Verlobung bereits bewilligt hat. Mit Unterschrift und Siegel. Nun gut. Dann bis später.« Zwar salutierte er nicht, bevor er sich zum Gehen wandte, doch das Nicken, mit dem er sie bedachte, ehe er triumphierend in die Sonne hinaustrat, hatte durchaus militärischen Charakter.
    Schwester Dtui verschlug so leicht nichts die Sprache. Das war eine ihrer Stärken. Sie war nie um eine clevere Antwort verlegen – eine witzige Bemerkung, die selbst in den dunkelsten Momenten zur Erheiterung beitrug. Jetzt aber saß sie geschlagene fünf Minuten im Saal der Bewusstlosen und wusste beim besten Willen nichts zu sagen. Sie war ebenso benommen wie die Patienten ringsumher. Und wäre es vermutlich auch noch eine Weile geblieben, wenn Panoy nicht ausgerechnet in diesem Moment aus ihrem Koma erwacht wäre. Als sie ein Geräusch hörte, schrak Dtui unwillkürlich zusammen. Sie drehte sich um und sah Panoy aufrecht im Bett sitzen. Die kleine Hmong starrte sie aus großen Augen an. Sie murmelte mit schwacher Stimme etwas vor sich hin, das Dtui nicht verstand. Eines jedoch war ihr sofort klar. Es war nicht die Stimme eines Kindes.
     
     
    Nachdem auch der letzte Gast das Gästehaus Nr. 1 geräumt und seine Habe den Langfingern überlassen hatte,
gab es für den Lastwagen des Gästehauses keine Verwendung mehr. Und so hatte das Personal auch nichts dagegen, wenn Siri ihn sich borgte – sofern er das Benzin aus eigener Tasche bezahlte. Er hatte gehört, unweit der Grenze, bei Sop Hao, habe eine vietnamesische Einheit ihre Zelte aufgeschlagen. Dieselbe Einheit war bis zu dem groß angekündigten, dann aber doch nur vorübergehenden Abzug

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