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Totentanz

Totentanz

Titel: Totentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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Legislaturperiode durchgehalten, doch die Wählergunst nahm täglich ab. Die Opposition allerdings war so überheblich wie die Regierungkoalition: Lauter alte Gesichter, die trotz aller erlittenen Niederlagen nicht zu weichen bereit waren und die schon niemand mehr sehen konnte – kein frischer Wind. Dagegen standen die brachiale Medienmacht des aktuellen Premiers und die Mehrheit in beiden Kammern, mit der eine Menge Gesetze zum eigenen Vorteil verabschiedet wurde, inklusive einer Änderung des Wahlverfahrens. Zugleich baute sich eine Staatsverschuldung auf, die auch im Ausland Sorgen bereitete, und die wirtschaftliche Lage der Bürger hatte sich derart verschlechtert, daß vielen das Gehalt nicht mehr bis zum Monatsende reichte. Es sei alles Schuld des Euro, ließ der Premier in den Medien verlauten, und man fragte sich, welche Schuld wohl eine Münze haben konnte. In dieser angespannten Situation bekam die Schattenwirtschaft mehr und mehr Zulauf.
    Schlechte Stimmung also, als sich der Präfekt an den Questore wandte: »Über Personalmangel können Sie nun wirklich nicht klagen. Eine Bombe mitten in der Stadt und kein Polizist weit und breit, den das interessiert. Fünf Stunden verstreichen zum Vorteil der Täter. Wie wollen Sie dies jemandem in Neapel oder Mailand erklären?« Er räusperte sich. »Oder in Rom zum Beispiel?«
    Der Name der Hauptstadt. Das magische Wort. Nun wußte es auch der letzte Trottel. Der Präfekt hatte also einen Anruf aus dem Innenministerium erhalten.
    »Das ganze Land lacht über uns. Die Stadt macht Schlagzeilen. Aber welche? Und ich bekomme Vorhaltungen, daß sich nichts zum Besseren wendet. Im Gegenteil. Hier schmeißt einer eine Bombe in die Stadt, und Polizei, Carabinieri, Guardia di Finanza und Vigili Urbani hören nicht das geringste Geräusch. Sie wissen, daß ich solche Sitzungen nur dann einberufe, wenn es wirklich ernst ist. Reden Sie denn überhaupt miteinander, meine Herren? Kennen Sie das Wort Koordination? Wer ermittelt in dieser Sache?«
    Der Questore warf einen Seitenblick auf Laurenti. »Der Fall ist in guten Händen, Herr Präfekt. Ich bin mir sicher, daß wir sehr bald Bescheid wissen. Commissario, berichten Sie.«
    »Eine Splittergranate jugoslawischer Bauart«, begann Laurenti und wurde sofort unterbrochen.
    »Da sehen Sie es! Die Grenzen sind durchlässig wie ein Maschendraht.«
    »Von wegen«, dachte Laurenti und verdrehte die Augen.
    »Wie oft habe ich schon darauf hingewiesen, daß genauer kontrolliert werden muß. Wenn hier jeder eine Bombe unter dem Sakko trägt, dann gute Nacht, meine Herren«, polterte der Oberchef weiter.
    Ein heftiger Knall gegen die Tür, die vom Sitzungszimmer auf den Balkon über der großen Piazza hinausführte, schreckte alle auf. Eine Möwe auf Taubenjagd war gegen die Verglasung geprallt und lag mit lahmen Flügeln draußen.
    »Und dieses Problem muß auch gelöst werden«, sagte der Präfekt säuerlich. Die Vögel hatten die Stadt als ergiebige Nahrungsquelle ausgemacht, und die Behörden diskutierten über Sterilisierungsaktionen oder gezielte Vergiftung der Tiere, andere darüber, wie man sie schützen konnte. »Nun zurück zur Sache. Illegale Waffen darf es bei uns nicht geben.«
    »Mir bereiten auch die unzähligen privaten Sammler Sorgen«, sagte Laurenti. »Vor einem Jahr wurden selbst aus dem Haus des Bürgermeisters fünf Jagdflinten gestohlen. Benötigte sie jemand zur Möwenjagd?«
    Jetzt bekam der Präfekt einen tiefroten Kopf. »Wenn der Bürger nicht ausreichend geschützt wird, dann versucht er es eben selbst«, brüllte der arme Mann. »Sie wissen ja gar nicht, wovon Sie reden!«
    Laurenti und seine Kollegen warteten, bis der Anfall sich gelegt hatte und der Oberchef selbst die erzwungene Pause mit einem fordernden »Also?« auflöste.
    »Das Material befindet sich inzwischen bei den Spezialisten in Parma«, sagte Laurenti beschwichtigend, »wir warten auf den Untersuchungsbericht. Die Anwohner sind alle bereits befragt worden und die Besitzer der zerstörten Autos auch. Wir hoffen auf weitere Hinweise, wenn die Sache durch die lokalen Medien gegangen ist.«
    »Hoffen ist Untätigkeit, Laurenti. Hoffen ist das Gegenteil von arbeiten.« Der Präfekt schob die ausgebreiteten Papiere auf seinem Platz zusammen und wandte sich an den Questore. »Eine Handgranate aus jugoslawischer Produktion? Ich erwarte, daß Sie verstärkte Kontrollen in der serbischen Gemeinde durchführen. Unterrichten Sie mich über die geplanten

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