Totentanz
Maßnahmen vorher.« Er stand auf und ging zur Tür. »Alles muß man selber machen«, brummte er, bevor er den Saal verließ. »Sorgen Sie dafür, daß der Balkon gereinigt wird.«
Als Laurenti mit dem Questore über die Piazza Unità Richtung Büro zurückging, klingelte sein Mobiltelefon. Es war Laura. Er entschuldigte sich bei seinem Chef und antwortete.
»Wo hast du eigentlich mein neues Auto zu Schrott gefahren?« fragte sie verärgert.
»Ich?« stammelte Laurenti. »Wieso Schrott? Wir sind doch letzte Nacht damit nach Hause gefahren?«
»Das Rücklicht ist im Eimer, die Stoßstange lädiert und der Lack an der Heckklappe auch. Du mußt mit Wucht gegen eine Wand gefahren sein. Warum sagst du mir so etwas nicht?«
»Ich war das nicht. Hör auf, mich immer gleich zu beschuldigen. Das ist sicher gestern abend auf dem Parkplatz passiert. Bring ihn in die Werkstatt.«
»Keine zwei Wochen hab ich ihn, Laurenti.« Laura legte grußlos auf.
»Ihre Frau?« fragte der Questore. »Probleme mit dem Wagen?«
Laurenti winkte ab. »Probleme mit dem Rücklicht. Wenn sie nervös ist, fährt sie nicht besonders gut.«
*
Alba Guerra triumphierte. Das war Wasser auf ihre Mühlen. Am Abend war sie mit ihrem Motorrad vom Parkplatz des Grillrestaurants dem Wagen mit dem Konsulatskennzeichen bis in die Stadt gefolgt. Sie hatte gesehen, wie die Schwarzhaarige das Auto auf dem für das Konsulat reservierten Parkplatz beim Teatro Verdi abstellte, und hielt ausreichend Abstand, als die Frau zu Fuß weiterging. In der Via Torbandena verschwand die Dame in einem Hauseingang gegenüber dem Polizeipräsidium, an dem ein Konsulatsschild prangte. Zufrieden machte Alba sich auf den Heimweg. Sie würde noch lange am Schreibtisch sitzen, Telefonate führen und im Internet recherchieren, bis sie den Namen der Dame kannte und alles über sie erfahren hatte. Ihr erster Anruf galt einem Kameraden in der Questura, der, obwohl sie sich von Parteisitzungen gut kannten, nur zögerlich die Personendaten rausrückte. »Petra Piskera. Sechsunddreißig Jahre alt.« Er nannte Geburtsdatum und Geburtsort, die Hauptstadt des Landes, das sie vertrat. »Ein Doktortitel, aber ich weiß nicht, in was. Alba, paß auf, die Dame genießt diplomatischen Schutz. Berufskonsulin. In unserer Datei ein unbeschriebenes Blatt.«
Alba überspielte die Aufnahme des Gesprächs zwischen der Konsulin und dem Ehepaar, das sie abgehört hatte, auf den Computer und begann mit der Transkription. Die Sache war heiß. Die Konsulin eines korrupten osteuropäischen Landes hatte ihre Finger im Wissenschaftszentrum bei Padriciano. Einen Teilchenbeschleuniger gab es dort oben, Institute für Nuklearmedizin, Raumfahrttechnik, Biochemie, Materialforschung, unten in der Stadt sogar eine Außenstelle der IAEA, der Internationalen Atomenergiebehörde. Da war viel zu holen. Alba Guerra war per Zufall und dank ihrer Zähigkeit an eine Topstory geraten. Sie durchsuchte das Internet nach Informationen über Atomschmuggel und träumte von einer schmutzigen Bombe. Wenn es ihr endlich gelänge, einen Zusammenhang zwischen den verschiedenen internationalen Forschungsinstituten in Triest und muslimischen Ländern herzustellen, dann würde das einen Erdrutsch für die verdammten Gutmenschen bedeuten. Die Linke wäre in ihrer verantwortungslosen Befürwortung der Zuwanderung schwer angezählt. Alba sah sich schon jetzt auf einer hochdotierten Stelle in einer der Fernsehanstalten des Premiers oder einer der Zeitungsredaktionen seiner Koalitionspartner vom rechten Rand. Eine solche Leistung mußte schließlich belohnt werden. Und der Staat würde immerhin eine Menge Geld sparen.
Ab morgen würde sie der Konsulin auf allen ihren Schritten folgen, und vielleicht fand sich auch eine Möglichkeit, in die Büroräume zu gelangen. Auch auf die Spur des Ehepaars mit dem Škoda und dem slowenischen Kennzeichen würde sie sich heften. Mit ein bißchen Geschick würde sie die beiden schon zum Reden bringen. Viel Arbeit wartete auf sie. Doch endlich hatte sie ihre Geschichte. Eine Bombe!
Alba Guerra machte in dieser Nacht vor Aufregung kaum ein Auge zu. Die Möwen, die auf den Dächern der Umgebung nisteten, veranstalteten selbst nachts einen Heidenlärm, und von der nahen Piazza San Giovanni dröhnten Musik und Gelächter zu ihrem Fenster herauf. Einmal rief sie bei der Polizei an, um sich über die Ruhestörung zu beschweren. Doch anscheinend kümmerten sich die Beamten nicht um die Nachtruhe der Anwohner.
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