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Totentanz

Totentanz

Titel: Totentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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einbiegen wollte, konnte er die Kollision nur knapp vermeiden. Der schwarze SUV hatte die Vorfahrt geschnitten und blieb halb in der Kreuzung stehen. Damjans wütendes Hupen und Geschimpfe mit drohend erhobener Faust schienen den Fahrer nicht zu kümmern. Zornig schlug Damjan aufs Lenkrad und manövrierte schließlich in einem knappen Bogen vorbei.
    Fast senkrechte Wände aus grauem Fels erhoben sich um den Zubringer, dessen Trasse tief ins Karstgestein gefräst war. Bevor er die Kreuzung am Ende der Strecke erreicht hatte, sah Damjan die aufgeblendeten Schweinwerfer des schwarzen Monsters wieder im Rückspiegel. Es näherte sich rasant, obwohl die Stelle zum Überholen zu eng war. Er schimpfte, daß dieser Mistkerl ihm noch in den Kofferraum fahren würde. An der Auffahrt zur Stadtumgehung beschleunigte er und versuchte ausreichend Abstand zu gewinnen. Als er die Lichter nicht mehr im Rückspiegel sah, schaltete Damjan das Autoradio ein. Sie kamen am Parkplatz des Grillrestaurants am Monte Calvo vorbei, wo sie die Konsulin getroffen hatten, die sie gleich ausbezahlen sollte.
    Die Straße leitete mit einer Linkskurve den steilen Abstieg vom vierhundert Meter hohen Hochplateau des Karsts ein. Bei schönem Wetter hatte man von hier oben einen fabelhaften Blick über die Stadt, den Hafen und den Golf, doch heute konnte Damjan kaum das Ende der Motorhaube erkennen. Jožica suchte in ihrer Handtasche nach einem frischen Taschentuch, als der Wagen von einem harten Schlag getroffen wurde. Sie stieß mit dem Kopf gegen das Armaturenbrett. »Paß doch auf«, schimpfte sie. Damjan bremste erschrocken, im Rückspiegel blendete ihn bläuliches Licht. Er steuerte zum Straßenrand und wollte anhalten. Dem Drecksack würde er eine Lektion erteilen, die er so schnell nicht vergessen sollte. Er betätigte den Schalter der Warnblinkanlage, als ein zweiter Stoß den Wagen erschütterte und ins Schlingern brachte. Instinktiv drückte Damjan das Gaspedal wieder durch, er mußte Abstand gewinnen. Der Kerl in dem Wagen hinter ihnen mußte wahnsinnig sein. Jožica saß mit aufgerissenem Mund auf dem Beifahrersitz und versuchte mit einem Blick durch das Heckfenster zu begreifen, was mit ihnen geschah. Oft hörte man von schweren Unfällen auf dieser abschüssigen Strecke, wenn ein Lastwagen nicht im kleinen Gang hinabfuhr und die Bremsen überhitzten. Doch hinter ihnen war nur dieses Angeberfahrzeug, gegen dessen Schub alle Bremsversuche nichts ausrichteten. Das Blech des Škoda krachte, die Heckscheibe durchzog ein langer Riß. Sie schleuderten gegen die Leitplanke, Damjan riß das Steuer herum und wollte auf die Gegenfahrbahn ziehen, doch ihr Verfolger schob sie auf dem nassen Asphalt einfach geradeaus weiter. Damjan steuerte gegen und gab wieder Gas. Das Heck des Škoda brach aus, der Wagen drehte sich um die eigene Achse. Und dann blickten sie plötzlich direkt in die Scheinwerfer des Monsters, auf die Kühlerhaube mit den dicken, verchromten Zierleisten. Jožica kreischte grell, und Damjan brüllte wie ein Gorilla. Die Windschutzscheibe zersplitterte mit einem dumpfen Knall, das gleißende Licht der Xenonlampen blendete sie. Jožica griff voller Schrecken nach Damjans Hand. Der Schlag mit dem Heck gegen die Leitplanke war so heftig, daß sich der Airbag vor Damjan öffnete und ihm Sicht und Atem raubte.
    Jožicas Schrei war lang und hell. Sie verstummte erst, als der Wagen nach dreißig Metern Fall wieder aufschlug. Blut rann die Fahrertür hinunter, wurde vom Regen verdünnt und tropfte hellrot in die Tiefe. Damjan war tot. Ein Splitter der Seitenscheibe hatte die Aorta durchtrennt, sein Kopf hing zum Fenster heraus. Jožicas Kehle entfuhr ein blutersticktes Seufzen.
    Die Rettungskräfte in Triest sind in der Regel schnell zur Stelle, trotz der weiten Distanzen und des dichten Stadtverkehrs. Kühne Fahrer mit Nerven aus Stahl, die selbst in der dichtesten Rush-hour jede Lücke auszunutzen wissen. Doch die Stelle, wo der Škoda im Fels hing, war nur schwer zu erreichen. Seile und Gurte mußten herbeigeschafft werden und kletterkundige Kollegen. Der angeforderte Hubschrauber, der trotz des schlechten Wetters aufgestiegen war, wurde wegbeordert, bevor er zum Anflug ansetzen konnte. Der Druck der Rotorenblätter hätte den Wagen endgültig in den Abgrund geschickt. Er mußte fixiert werden, bevor an Hilfe für die Insassen zu denken war. Aus der Kofferraumklappe fielen dicke Klumpen von Speiseresten in die Tiefe des Steinbruchs, und

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