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Totentanz

Totentanz

Titel: Totentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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niemand wußte, woher auf einmal die Möwen kamen, die sie noch im Fall zu schnappen wußten und sich mit eifersüchtigem Gekrächze die Bissen streitig machten. Die Nachrichten meldeten einen langen Rückstau vor dem Autobahnende mit Behinderungen bis hinunter ins Stadtgebiet.
    *
    Alba Guerra hatte es trotz der bleiernen Müdigkeit eilig. Den Kaffee nahm sie in einer Bar in der Via delle Torri, ein paar Schritte von ihrer Wohnung entfernt. Sie hatte bereits die Münzen auf den Tresen gelegt, bevor die Tasse vor ihr stand, rasch das Getränk hinuntergestürzt, das sie ohne Zucker trank, und war nach kaum fünf Minuten wieder auf der Straße. Sie warf das Motorrad an und stellte es nach einer kurzen Fahrt um halb acht im Halteverbot an der Ecke Via San Spiridione und Mazzini wieder ab. Sie würde hier keinen Strafzettel bekommen, den Vigile, der in dieser Woche in diesem Abschnitt Dienst schob, kannte sie gut, er nahm wie sie an den Treffen ihres politischen Zirkels teil. Dort trafen sich die wenigen Personen, denen sie auf dieser Welt vertraute.
    Kurz nachdem sie ihren Posten in der Via Mazzini bezogen hatte, sah sie eine kleine verschwitzte Radfahrerin, die ihr Rennrad durch die hohe Tür schob. Eine halbe Stunde später verließ diese Frau das Haus wieder und ging mit einer Tüte in der Hand zu den Müllcontainern und anschließend zum Zeitungskiosk.
    Die Konsulin kam nur ein paar Minuten später aus dem Haus. Sie überquerte den Corso Italia bei Rot und kaufte sich am Largo Riborgo einige Zeitungen. Alba fiel auf, daß neben den italienischen Blättern sowohl die in Pula erscheinende Glas Istre , die Večernji List aus Zagreb und eine deutsche Zeitung dabei waren. Mit diesem Packen unter dem Arm ging die Schwarzhaarige schließlich am Teatro Romano und der Questura vorbei zum Konsulat. Alba kaufte den Piccolo , suchte sich vor der Bar »Rex« einen Tisch außerhalb des Schwenkbereichs der Überwachungskameras am Polizeipräsidium und bestellte einen Espresso. Von hier hatte sie den Hauseingang perfekt im Blick, und auf den richtigen Augenblick warten zu können war eine fundamentale Tugend für eine Journalistin wie sie. Bei der Lektüre des Piccolo stutzte Alba Guerra, als sie auf ein Foto stieß, das einen jähzornigen alten Mann auf der Piazza della Borsa zusammen mit einer Frau zeigte, die ihm kaum zur Brust reichte. Die Radfahrerin! Eine Polizistin also. Was zum Teufel hatte die Konsulin mit einer Polizistin zu tun? Ein abgekartetes Spiel der Behörden? Oder war die Zwergin korrupt? Alba Guerra rieb sich die Hände. Ihre Geschichte wurde immer besser. Sie wählte die Nummer des Kameraden in der Questura und bat ihn, ihr Informationen über diese Inspektorin zu beschaffen und herauszufinden, ob die Behörden etwas planten, das mit dem Wissenschaftszentrum auf dem Karst oder den anderen Forschungseinrichtungen unten bei Miramare zu tun hatte. Der Mann zögerte einen Augenblick, er würde sie später zurückrufen, in der Mittagspause, von außerhalb des Büros.
    Drei Stunden mußte Alba Guerra warten, bis die Konsulin das Haus wieder verließ. Kurz vor ihr waren drei schwatzende junge Frauen herausgekommen und hatten sich ausgerechnet an den Tisch neben ihr gesetzt. Sie stöhnten über zuviel Arbeit und ungerechte Bezahlung, üblicher Angestelltenkram.
    Trotz des vielen Kaffees, den sie mittlerweile getrunken hatte, wäre ihr Petra Piskera fast entwischt. Alba sprang auf, legte einen Geldschein auf den Tisch und folgte ihr. Die Schwarzhaarige ging quer über die Piazza Unità auf das prachtvolle Grandhotel zu und verschwand dort im Restaurant. Alba sah durch die Fenster, wie sie zwei Herren in Anzug und Krawatte begrüßte und schließlich an deren Tisch Platz nahm. Endlich, Alba hatte nur auf diesen Moment gewartet. Sie mußte sich zwingen, auf dem Weg zurück nicht zu rennen. Sie durfte nicht auffallen.
    Das Türschloß zum Konsulat zu knacken war kein Kinderspiel, doch schließlich hatte sie es geschafft. Alba wunderte sich über die Sterilität der Büroräume. Wenige billige Drucke an der Wand, die man in jedem Kaufhaus für ein paar läppische Euro kaufen konnte, vier Schreibtische mit Computern, Papiere in Schubladen und wenigen Hängeschränken, weit und breit kein Telefon. Nichts Persönliches. Ein Nicht-Ort, Räume, die man von einer Sekunde auf die andere vergaß, sobald man sie verlassen hatte. Alba schoß Fotos und machte sich dann über die Akten her. Hektisch durchwühlte sie die Ordner und

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