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Totentanz

Totentanz

Titel: Totentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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sich niemand erklären, was es ist. Organische Partikel, deren Herkunft niemand kennt. So zumindest sagte es Zerial, und der muß es schließlich wissen. Sie ziehen jetzt die Spezialisten in Parma zu Rate. Vielleicht sind die schlauer.«
    Laurenti brummte unzufrieden. Das konnte lange dauern, denn die Labors in Parma waren überbeschäftigt. Dort saß die Avantgarde der Wissenschaftler im Polizeidienst, die über alle technischen Einrichtungen verfügte, von welchen die Gerichtsmediziner anderswo nicht einmal zu träumen wagten. Galvano hatte einmal gesagt, daß ein normaler Gerichtsmediziner meist nur das fand, wonach er suchte: zuwenig Phantasie, keine Begabung und keinen Sinn für Überraschungen.
    Laurenti entschied, den Wagen zu nehmen, auch wenn er beim Gerichtspalast nur schwer einen Parkplatz finden würde, aber er wollte ganz sicher sein, den Staatsanwalt noch vor der Mittagspause zu erwischen. Es sei dringend, hatte der schließlich ausrichten lassen.
    Fast alle Sitzungen zu neuen Ermittlungen, solange sie nicht irgendwelche banalen Straftaten betrafen, von denen es in den Augen der Statistiker hier ohnehin zuwenig gab, wurden so vertraulich gehalten, daß nicht ein Wort davon an die Medien gelangte. Nicht einfach in dieser geschwätzigen Stadt, die sich als Tor Europas zum Balkan, nach Zentraleuropa und dem östlichen Mittelmeer sah, und die heftig danach gierte, vergangener Größe entsprechend behandelt zu werden. Doch alter Reichtum und hohe Lebensqualität sind nicht immer die besten Antriebskräfte.
    Die slowenischen Nachbarn schliefen nicht, förderten ihren nur zehn Kilometer entfernten Nachbarhafen Koper mit Kräften und zogen, seit sie über Los gegangen waren, zahlreiche EU-Fördermittel ein. Auf ihrer Seite der Grenze war die Autobahn bereits fertiggestellt, als man diesseits noch über die Finanzierung der letzten Kilometer des Anschlußstücks stritt. Die Angst vor einstiger Größe: Triest verschloß sich immer stärker, je mehr sich das Umland öffnete und die Märkte wuchsen. Ein Anachronismus. Und eine Idiotie in Anbetracht des geopolitischen Standorts. Doch Wachstum bedeutete Machtverlust für Provinzpolitiker gleich welcher Couleur, die die Stadt bisher als ihr persönliches Eigentum angesehen hatten. Im realen Leben aber war längst Schluß damit: Das organisierte Verbrechen schätzte den Finanzplatz und den Standortvorteil, und inzwischen gab es sogar wieder Unternehmer, die entschieden hatten, sich ihre Renditen nicht mehr vom Postengeschacher engstirniger Parteipolitiker ruinieren zu lassen. Nur eines war für alle gleich wichtig: Nichts durfte nach außen dringen, wenn man sich die Pläne nicht kaputtmachen lassen wollte.
    Zunächst hatte der Staatsanwalt mit dem schütteren Haar und dem immer gleich fahlen Teint diese längst bekannten Tatsachen aufgezählt, als wollte er damit Laurenti aufrütteln. Er wähnte alle anderen in einer Lethargie, aus der nur er sie erwecken konnte. »Commissario«, sagte er und trommelte nervös mit den Nägeln von Zeige- und Mittelfinger auf die furnierte Tischplatte, die schon von den Spuren der Ungeduld seiner zahlreichen Vorgänger gezeichnet war. »Während unsere Provinzfürsten und die Herren in Rom die Finanzierung der hiesigen Forschungseinrichtungen in Frage stellen, gibt es Hinweise, daß andere das Potential stärker nutzen als erwünscht. Kennen Sie eigentlich den ›AREA SciencePark‹? Waren Sie da überhaupt schon einmal?«
    Laurenti schnaubte hörbar durch die Nase. Wie oft hatte er sich vorgenommen, an einer der Führungen durch das riesige Wissenschaftszentrum teilzunehmen oder zumindest an einem Tag der offenen Tür dort vorbeizuschauen?
    Der Staatsanwalt hatte seine Reaktion erst gar nicht abgewartet. »Sie kennen das Gebiet nicht einmal von den Plänen. Eine Schande. Neunzigtausend Quadratmeter Forschung! Dort wird mit Hochtechnologie gearbeitet, während Sie nicht einmal alle Funktionen Ihres Mobiltelefons zu bedienen wissen. Anlagen wie diesen Teilchenbeschleuniger gibt es nur dreimal auf der Welt. Molekularbiologie, Nuklearmedizin, Gentechnik, Kernphysik, Luft- und Raumfahrt, Solarenergie, neue Technologien und revolutionäre Entwicklungen. Die Zukunft schlechthin. Eine der großen Hoffnungen für die Stadt.«
    Strebte der Mann in die Politik? Der Staatsanwalt war in den letzten Jahren immer verbiesterter geworden, unwirsch und unfreundlich. Laurenti steckte die ungerechte Beschimpfung kommentarlos ein und setzte lediglich

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