Totentanz
erfolgreich den Hof machte? Laurenti krallte sich an den Stuhl, doch sein Gegenüber schien nichts von seiner Aufgebrachtheit zu bemerken und fuhr unbeirrt in seiner Rede fort.
»Die Spur des Telefonats aus Zypern führte zu einem Gesprächspartner in Kroatien. Und dieser wurde gestern abend von der Konsulin angerufen.« Er las die paar Zeilen vor, die an Eindeutigkeit nicht zu überbieten waren. Es galt ihm, Laurenti. Aber auch seine Frau wurde genannt. »Haben Sie jetzt begriffen, wer hinter Ihnen her ist?«
Laurenti nickte. »Es bringt Unglück, wenn man den Namen seines größten Feindes ausspricht, solange er im Vorteil ist.«
»Es ist Ihre Sache, dies zu ändern, Laurenti. Ihre und meine. Wir müssen ihn aus seinem Versteck herauslocken wie eine Moräne und ihm dann den Kopf abschlagen.« Endlich schob der Staatsanwalt die Unterlagen zu ihm hinüber. Dann trommelte er wieder nervös auf die Tischplatte, während Laurenti die wenigen Seiten überflog. »Staatsanwältin Ravno wird uns zuverlässig unterstützen. Eine tolle Frau.«
Laurentis Wut galt uneingeschränkt dem Staatsanwalt und Živa; der Mann, der sein Leben bedrohte, war unwichtig im Vergleich zu dem, was Laurenti sich ausmalte.
»Sie haben Drakič ganz schön wütend gemacht. Wie zum Teufel haben Sie das geschafft? Jetzt kommen auch Sie einmal in den Genuß der Begleitung mehrerer Herren im Kleiderschrankformat. Tag und Nacht.«
»Da habe ich dann doch noch ein Wörtchen mitzureden«, protestierte der Kommissar übellaunig, doch sein Gegenüber wischte den Einspruch mit einer winzigen Handbewegung weg.
»Lesen Sie die Sache in Ruhe durch. Ich habe den Antrag bereits gestellt. Viel Vergnügen bei den letzten Schritten auf freiem Fuß.«
Begleitschutz? Auf keinen Fall. Noch war die Sache nicht entschieden. Auch Laurenti mußte damit einverstanden sein. Er würde den Zeitpunkt so lange wie möglich hinauszögern. Mit zwei Affen auf der Schulter würde er ganz gewiß nicht durch die Stadt gehen. Lächerlich. Und was war mit Laura? Er erinnerte sich, daß es dem Staatsanwalt einst nicht anders ergangen war. Seine Familie war ohne Schutz geblieben, während er selbst kaum mehr frei atmen konnte. Laurenti war aufgebracht. Živa! Diese Verräterin. Darum hatte sie sich also nicht wieder bei ihm gemeldet! Obwohl sein Leben bedroht war! Hatte sie wirklich noch nichts Neues über Drakič in Erfahrung gebracht? Oder hatte sie es nur ihrem neuen Verehrer mitgeteilt?
*
Laurenti hatte keine Ahnung, wo sich sein Erzfeind befand. Mehrfach war dieser ihm entwischt, seit sechs Jahren spielten sie Katz und Maus. Wenn es nach Drakič ging, dann sollten sie diesmal die Rollen tauschen. Das Leben hatte sich blitzartig verändert. Als Laurenti auf die Straße vor dem Gerichtspalast trat, beobachtete er argwöhnisch die Umgebung und suchte mit seinem Blick die Passanten und die vorbeifahrenden Autos ab. Auf jedem Dach könnte sich ein Scharfschütze verbergen, der mit einem präzisen Kopfschuß Laurentis Leben ein Ende setzte, als wäre er Martin Luther King. Viel spüren würde er dabei vermutlich nicht, tröstete sich Laurenti, schloß seinen Wagen auf und ließ sich auf den Fahrersitz fallen. Nie im Leben wäre ihm in den Sinn gekommen, einmal der Gejagte zu sein. Zuerst hatte ihn diese Nachricht kaltgelassen, doch je mehr er darüber nachdachte, um so wütender und niedergeschlagener machte sie ihn. Wie sollte er dies seiner Frau erklären? Sollte er ihr davon erzählen, oder würde er sie unnötig beunruhigen? Am Telefon wurden viele Dinge leicht dahergesagt, ohne daß sie je so gemeint waren. Auch er hatte in seinem Leben oft genug »Den bring ich um« gesagt oder »Dem reiß ich den Kopf ab«, »dreh ihm den Kragen um«, »schneid ihm die Eier ab«. Wenn man alles wörtlich nähme, würde es schlagartig keine Politiker mehr auf der Welt geben. Doch der Staatsanwalt hatte darauf bestanden, daß es in diesem Fall anders sei. Was sollte er Laura sagen? Daß er demnächst von zwei Personenschützern begleitet würde, sie jedoch nicht? Die beiden Töchter waren wenigstens weit genug weg, aber was war mit Marco?
Laurenti wählte die Nummer der kroatischen Staatsanwältin. Nach dem fünften Klingeln vernahm er das Belegtzeichen. Weggedrückt. Abgedrückt. Wie konnte sie nur so herzlos sein, wo sie doch wußte, daß sein Leben auf dem Spiel stand? Zornig warf er das Mobiltelefon auf den Beifahrersitz und startete den Wagen. Wenig später parkte er vor der
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