Totentanz
einen interessierten Blick auf. Wenn in dieser Forschungseinrichtung etwas Verbotenes geschah, fiel dies ganz gewiß nicht in seinen Zuständigkeitsbereich – dafür gab es die Kollegen von den Spezialabteilungen. »Was also liegt vor?« fragte er schließlich, als der Staatsanwalt nur noch mit den wild trommelnden Fingern weiterzusprechen schien. Hatte er nicht irgendwann sogar in aller Öffentlichkeit gesagt, er spiele mit dem Gedanken, sich das Leben einfacher zu machen und Familienrichter zu werden? Also für nicht ausgeführte Morde.
Der Staatsanwalt sprang auf und pochte auf einen dünnen Stapel Papier. »Im Rahmen einer Abhörmaßnahme in einer anderen Sache erhielten wir Hinweise auf eines der Unternehmen innerhalb des ›ScienceParks‹. Der Leiter eines Labors unterhält eine telefonische Verbindung zu dem ehemaligen Geschäftsführer einer Firma, die unter dem Verdacht stand, illegal Nukleartechnologie nach Libyen geschafft zu haben. Auf dem üblichen Seeweg. Als der Druck der Ermittlungen sich verstärkte, meldete die Firma Konkurs an. Der Boß setzte sich ab. Das war 1995.«
»Und wie haben Sie ihn wieder aufgespürt?«
»Die üblichen Zufälle. Auch die Welt des globalisierten Verbrechens ist klein. Sie tauchen alle immer wieder auf, solange sie noch ein Geschäft machen können. Vielleicht mit neuem Wohnsitz oder neuem Namen, aber sie tauchen wieder auf. Weitermachen ist besser, als ins Gras zu beißen. Innovation hat Hochkonjunktur, und die Herren sind mächtig erfindungsreich. Wir sollten uns ein Beispiel an ihnen nehmen. Die Zukunft auf jeden Fall hängt in allen Bereichen von der Forschung ab. ›SciencePark‹ lautet die Devise, für Triest, für Europa, für unsere Kinder – und für unsere Feinde.«
Laurenti kniff sich in den Oberschenkel, um ruhig zu bleiben. Sie kannten sich seit langem, aber daß der Staatsanwalt inzwischen die Verbrecher für ihren Erfindungsreichtum pries, war unheimlich.
»Ich bin nicht so fortschrittsgläubig wie Sie, Staatsanwalt. Jede Branche produziert Profit und Unrat zugleich. Forschung ist beides. Also, um was dreht es sich? Illegaler Technologietransfer? Uran für den Iran, nachdem der Irak kein Abnehmer mehr ist? Syrien, Nordkorea oder der Sudan? Und weshalb ich? Das fällt doch in die Zuständigkeit der Kollegen.«
Der Staatsanwalt streckte die Hand aus, als wollte er Laurenti beschwichtigen. »Die sind schon dran, Laurenti. Aber ich glaube, es könnte Sie persönlich interessieren, und außerdem ermitteln wir wie üblich auf verschiedenen Ebenen.« Er machte eine kleine Pause, verschränkte die Hände und beugte sich nach vorne. »Sie kennen den Gesprächspartner dieses Mannes so gut wie ich«, sagte er schließlich mit beschwörender Stimme.
Laurenti gähnte und machte eine wegwerfende Handbewegung. »Lassen Sie mich bloß mit Petrovac in Ruhe, der ist doch abserviert.«
»Sie sind vergeßlich, Laurenti«, sagte der Staatsanwalt. »Sie enttäuschen mich.«
»Vergeßlich? Ganz gewiß nicht.« Laurenti schlug die Beine übereinander. »Hat es mit dem Konsulat zu tun?«
Der Staatsanwalt schwieg, als nähme er geduldig die mündliche Prüfung eines Studenten ab, den er nicht durchfallen lassen wollte, ohne ihm noch eine letzte Chance zu geben.
»Wenn mich jemand anderer zum vorsichtigen Umgang mit der Dame angehalten hätte, wäre das völlig normal gewesen. Aber ausgerechnet Sie! Also, was liegt vor?«
»Ich befürchte, Sie werden ab sofort keinen Schritt mehr alleine tun, Laurenti.« Der Mann tippte auf einen Aktendeckel. »Sie wissen ja, wie das mit der Telefonüberwachung geht. Man hüpft von Gespräch zu Gespräch. Von Nummer zu Nummer, und wenn …«
»Ja, ja, ich weiß«, unterbrach ihn Laurenti. »Und wenn dann entsprechende Worte oder Ausdrücke fallen, schneidet der Computer sie mit, erstellt eine automatische Transkription, und die Lauscher in der Zentrale bewerten dann die Bedeutung. Man kommt vom Hundertsten ins Tausendste.«
»Und gestern abend«, der Staatsanwalt schlug den Aktendeckel auf und vergewisserte sich, »um 19.03 Uhr wurden Dinge gesagt, die Ihnen nicht schmecken werden. Dank der guten Zusammenarbeit mit den Kollegen in Pula hören wir inzwischen mehr ab, als überhaupt jemand ahnen kann. Die Zusammenarbeit mit Staatsanwältin Ravno ist sehr intensiv und zeigt erfreuliche Fortschritte.«
Das durfte nicht wahr sein. Was zum Teufel ging da vor? Hatte Živa ihm etwa den Laufpaß gegeben, weil dieser dürre Staatsanwalt ihr
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