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Totentanz

Totentanz

Titel: Totentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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es je tun. Zu verworren war die Rechtslage aus uralten Gesetzen und neueren Normen. Wenn man in den Archiven forschte, fand man garantiert eine Verordnung, die vorher noch niemand ausgegraben hatte und die deshalb auch von allen Gesetzesänderungen unberücksichtigt geblieben war. Hobbyhistoriker gab es in der Stadt und ihrem Umland ungefähr genauso viele, wie sie Einwohner zählte, nur die Politiker erhielten sich ihre Unwissenheit.
    »Es trifft immer die Falschen.« Ezio wischte sich die vom Altöl dunkel eingefärbte Hand am vor Schmutz starrenden Overall ab, nachdem er sie Laurenti gegeben hatte. Der Händedruck des Mechanikers hatte sich so weich und schmierig angefühlt wie eine der überreifen Feigen, die in diesem Monat von den Bäumen fielen. Laurenti betrachtete angewidert seine Hand, suchte mit der Linken vergebens nach einem Taschentuch und spreizte sie dann weit vom Körper ab. Der Mechaniker würde sowieso wieder nach ihr greifen, wenn das Gespräch beendet war.
    »Ich könnte auf Anhieb mindestens zehn nennen, die es verdient hätten. Aber es erwischt immer die armen Schweine.« Ezio verdrehte die Augen. Die kahle Stelle auf seinem Kopf hatte sich in den letzten Jahren stark ausgedehnt, das konnten auch die schulterlangen, fettigen Haarsträhnen, die noch um die Platte wuchsen, nicht verbergen. Dabei war der Kerl noch keine vierzig.
    Sie kannten sich über zwanzig Jahre, doch Freunde waren sie nie geworden. Laurenti hatte dem Mechaniker mehrfach zu Vollpension mit drei Mahlzeiten täglich verholfen, die er meist für ein paar Monate, einmal sogar für vier lange Jahre, in einer der Haftanstalten des Landes serviert bekam. Doch obgleich sie auf unterschiedlichen Seiten des Gesetzes standen, waren sie einander nicht unsympathisch. Eine jahrzehntelange Zusammenarbeit, auf die sie sich unbedingt verlassen konnten.
    »Du weißt schon, ich meine diese Oberschlauen mit den weißen Kragen, die alles unter sich aufteilen, während wir anderen immer ärmer werden. Sie haben uns restlos im Griff, da kannst nicht einmal du etwas daran ändern. Um deren Handgelenke schließt sich niemals der kalte Stahl. Statt dessen terrorisiert ihr Bullen nur die Armen. Die Serben und Kosovaren, die Rumänen. Als hätten die nicht schon genug Probleme. Eine Bazooka in den Arsch ist das einzige, was die richtig dicken Fische zur Raison bringen könnte.«
    Zu seiner wirtschaftlichen Blütezeit hatte Ezio für eine italienisch-jugoslawische Gang, die im Veneto entlang der Brenta Angst und Schrecken unter Villenbesitzern verbreitet hatte, Waffen ins Land geschafft.
    »Handelst du noch mit dem Zeug?« Laurenti wußte, daß Ezio inzwischen kaum mehr krumme Geschäfte machte. Doch gewiß verfügte er in der näheren Umgebung noch immer über ein eindrucksvolles Waffenlager, das er irgendwo unter den ausgewaschenen grauen Kalksteinen des Karst angelegt hatte. Den Waffenschmuggel, wie damals, als die ehemaligen jugoslawischen Munitionsdepots massenweise geplündert wurden, hatten aber längst andere Kaliber übernommen.
    »He, Commissario, ich bin sauber. Das weißt du ganz genau. Meine Frau würde mir den Hals umdrehen. Aber früher …« Er watschelte zu einem Verschlag, den er Büro nannte und wo zwei kleine Fotos des Duce an der Wand zwischen den obligatorischen Werkstattpornos hingen. Ezio zog eine Flasche und zwei Plastikbecher aus einem Karton und schenkte Wein ein. »Solange die Alte nicht da ist …«, sagte er, »aber wehe, wenn sie mich erwischt.«
    Laurenti wußte, daß Ezios Frau der einzige Mensch auf dieser Welt war, vor dem der Mechaniker sich fürchtete. Irgendwann hatte sie beschlossen, daß sie die Fahrten in den Knast leid war, und ihrem Mann ein Ultimatum gestellt. Man hatte ihn am Tag darauf mit einem zugeschwollenen blauen Auge in den Lokalen auf dem Karst gesehen. Ezio zog Scherereien an wie der riesige Elektromagnet, der von dem rostigen Bagger neben der Hydraulikpresse baumelte, die Schrottautos zermalmte. Dabei war der Mann mit den vom Altöl schwarz verfärbten Händen eigentlich gutartig, und niemand konnte ihm so recht böse sein.
    »Also, Bulle, ich sag dir eines: Die Karre ist weg. In meiner langen Laufbahn, die du Gott sei Dank nicht ganz so gut kennst wie ich, ist mir so etwas noch nie passiert. Und ich habs auch gar nicht gleich bemerkt. Erst als ich an der Kutsche daneben die Reifen abmontieren wollte, bevor sie in der Presse landet, sah ich auf einmal den leeren Platz. Wer klaut schon einen

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