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Totentanz

Totentanz

Titel: Totentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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befürchtet zwischenstaatliche Probleme und ist der Meinung, daß die Verdächtigungen nicht ausreichen, um gegen die Konsulin zu ermitteln. Das ›Wiener Abkommen‹ sieht bei schweren Straftaten zwar die Aufhebung der Immunität vor, doch das zusammengetragene Material betrifft wesentlich geringere Delikte, Industriespionage und Anstiftung zur Körperverletzung. Dafür könnte man Frau Piskera höchstens zur Persona non grata erklären und so umgehend loswerden.«
    »Um Gottes willen, nein! Bloß das nicht«, entfuhr es der Inspektorin. »Dann erwischen wir sie nie.«
    Mit einer scharfen Handbewegung brachte der Staatsanwalt sie zum Schweigen. »Der Richter sagt, daß er Verständnis für Laurentis Ansinnen habe, schließlich wurde seine Frau angegriffen. Aber das habe ihm auch die nötige Distanz geraubt, die er für seine Ermittlungen hätte wahren müssen. Nichts zu machen.«
    Marietta war entsetzt. »Unfaßbar. Das Attentat spricht doch für sich.«
    »Als er entschied, war Laurenti noch auf den Beinen«, sagte der Staatsanwalt mit belegter Stimme. »Aber ich glaube nicht, daß der Anschlag an der Beweislage etwas verändert hat. Lassen Sie sich etwas einfallen. Ich selbst werde mich mit meiner Kollegin aus Pula beraten. Frau Ravno ist bereits auf dem Weg und wird in einer Stunde eintreffen.«
    Marietta horchte auf.
    Živa Ravno kam also, um Proteo zu beweinen.
    Pina aber witterte eine einmalige Chance. Immerhin war es ihr gelungen, auch den Staatsanwalt von der Notwendigkeit der Nachrichtensperre zu überzeugen. Ausschließlich der Questore sollte die Medien so gezielt informieren, daß sich daraus in den nächsten Tagen vielleicht ein kleiner Vorsprung herausarbeiten ließ. Und ganz gewiß würde sie der Aufforderung des Staatsanwalts nachkommen, sich etwas einfallen zu lassen. Der Ermittlungsapparat lief auf Hochtouren.

Man begegnet sich im Leben mehr als zweimal

    Viktor Drakič bebte vor Zorn. Nur selten verlor er seine Maske eiskalter Gleichgültigkeit. Doch nun hatte er das Problem vieler Chefs: Seine Anordnungen waren nicht ausgeführt worden.
    Seine rechte Hand hatte ihn mitten aus den Verhandlungen mit den Geschäftspartnern gerufen, die mit dem Hubschrauber vom Flughafen Rijeka übergesetzt hatten. Es ging um Großes. Nach zähem Hin und Her stand Viktor Drakič kurz davor, die gesamte Zulieferung von Unterbaumaterial für die noch zu vollendende Autobahnstrecke von Ljubljana nach Zagreb sowie zwischen Zagreb und Split an sich zu ziehen. Bisher verfügte er lediglich über eine Tranche von einem Drittel des Volumens. Und jetzt das!
    »War mein Befehl nicht klar genug?« Er hatte keine andere Wahl, Viktor Drakič mußte durchgreifen. Mit betretenen Gesichtern standen seine beiden Männer vor ihm, schissen sich vor Angst fast in die Hosen und hofften auf sein Verständnis für ihre mißliche Lage.
    »Seid ihr nicht ein einziges Mal fähig, eine Sache richtig zu machen? Gab es irgendwelche Unklarheiten? Ich hatte gesagt, daß ihr ihn aus dem Weg schaffen sollt. Für immer.« Drakičs Tonfall war scharf wie ein Skalpell.
    »Er ist tot. Zvonko hat ihn erwischt. Er fiel um wie ein Sack.« Milan, ein Hüne von gut zwei Metern, mit schwarzem Bürstenschnitt und Muskelpaketen von der Güte Sylvester Stallones, deutete mit der Hand den Schuß an. Er überragte seinen Chef um gut einen Kopf, doch ehe er es sich versah, landete Drakičs Faust mitten in seinem Gesicht.
    »Nach meinen Informationen atmete er noch, als man ihn abtransportierte. Ich mag keine Ungewißheiten.« Drakič war schon wieder hinter seinem Schreibtisch, bevor der Mann sich von dem Treffer erholen konnte, und ließ sich in den tiefen Ledersessel fallen. Er drehte an dem Sigelring mit dem Doppeladler an seiner linken Hand, dann fixierte er lange Zvonko. Die bleierne Stille im Raum wurde nur von Milans schweren Atemzügen durchbrochen. »Von dir bin ich besonders enttäuscht. Seit fünf Jahren ernähre ich dich. Und du wagst es, einen solchen Fehler zu machen? Mit so einer Waffe hättest du ihm den Schädel platzen lassen müssen.«
    Mit zusammengekniffenen Augen fixierte er seine beiden Mitarbeiter, die kein Wort mehr herausbrachten. Zwei Killer mit zu wenig Hirn, die ihre Hände vor den Gürtelschnallen verschränkt hatten. Sie standen unbequem. Zvonko schaute verschüchtert zu Boden und wischte sich mit dem Ärmel des grauen Sakkos den Schweiß von der Stirn, der einen dunklen Fleck auf dem Stoff hinterließ. Er wußte nicht, was ihn

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