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Totentöchter - Die dritte Generation

Totentöchter - Die dritte Generation

Titel: Totentöchter - Die dritte Generation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cbt Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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zerstörten Länder, als ob das eine Rolle spielen würde.«

    Wieder brandet Wärme durch mein Blut. Mehr medizinische verursachte Benommenheit. Was spritzt er mir? Ich richte all meine Willenskraft auf meine Augenlider, und mir gelingt es, sie zu heben. Der Raum verdoppelt sich, dann nimmt alles gerade so viel Gestalt an, dass ich erkenne, dass Linden nicht an meiner Seite ist und meine Schwesterfrauen nicht mehr in der Tür stehen.
    »Pst, schon gut«, sagt Vaughn und drückt mir mit Daumen und Zeigefinger die Lider zu. »Hör dir meine Gutenachtgeschichte an. Ein besonders glückliches Ende hat sie allerdings nicht, fürchte ich. Sie haben das Mädchen überallhin mitgenommen, wo sie ihren Unsinn verbreitet haben. Und weißt du, was passiert ist? Eine Autobombe in einem Parkhaus. Und schon war sie ein Waisenkind. Die Welt ist ein gefährlicher Ort, nicht wahr?«
    Eine Bombe. Ich hab welche in Manhattan gehört – als Knall in der Ferne! Und dann wusste ich, dass gerade Leute gestorben waren. Diese Erinnerung möchte ich lieber nicht aufleben lassen, und instinktiv versuche ich, mich zu regen, doch was immer da durch meine Adern fließt, macht jede Bewegung unmöglich.
    »Da draußen in dieser Welt gibt es Leute, die kein Gegenmittel wollen. Leute, die denken, es gehe zu Ende mit der Welt und es sei das Beste, die menschliche Rasse aussterben zu lassen. Und sie töten diejenigen, die versuchen, uns zu retten.«
    Ich weiß! Das weiß ich. Meine Eltern haben wegen ihrer Laborarbeit viele Todesdrohungen bekommen. Zwei Seiten bekriegen sich: Die Wissenschaftsbefürworter, die für Genforschung und die Entwicklung eines Gegenmittels sind, und die Naturalisten, die glauben, dass es zu
spät ist und unethisch, neue Kinder zu züchten und Experimente mit ihnen durchzuführen. Kurz, die Naturalisten sind überzeugt davon, dass es natürlich ist, die menschliche Rasse aussterben zu lassen.
    »Aber du hast Glück«, sagt Vaughn. »Du bist hier sicher. Und du willst das Gute, das du hier gefunden hast, doch bestimmt nicht gefährden? Du weißt gar nicht, wie besonders du bist. Dich zu verlieren, könnte Linden völlig vernichten. Und das willst du nicht.«
    Und plötzlich ergibt es einen Sinn, warum Rose versucht hat, mich von einer Flucht abzuhalten. Es ging ihr nicht nur darum, dass Linden eine Gefährtin hat, wenn sie nicht mehr da ist. Sie versuchte mich zu warnen, sie wollte mir die Bestrafung ersparen, mit der ihr eigener Fluchtversuch geahndet worden war. Ihre Stimme, nicht die von Vaughn, flüstert mir die letzten Worte ins Ohr: »Wenn dir dein Leben lieb ist, wirst du nicht wieder weglaufen.«

Linden hat anscheinend keine Ahnung, dass ich mir diese Verletzungen bei dem Versuch zugezogen habe, von ihm wegzulaufen.
    »Ich hab ihm erzählt, du wärst im Garten gewesen, als der Sturm kam«, flüstert Jenna mir eines Nachmittags zu, während Linden schläft, die Arme schützend um meinen Ellenbogen geschlungen. »Ich habe gesehen, wie du aus dem Fenster gesprungen bist. Was hattest du vor?«
    »Ich weiß nicht«, sage ich. »Was auch immer, es hat nicht geklappt.«
    Sie sieht aus, als wolle sie mich fest drücken, doch das kann sie nicht, denn es tut schon weh genug, einfach hier zu liegen und angeschaut zu werden.
    »Hat er dir geglaubt?«, frage ich.
    »Hauswalter Linden hat es geglaubt, trotz des kaputten Fensters. Bei Hausprinzipal Vaughn weiß ich es nicht. Alle aus der Küche haben gesagt, sie hätten dich vor dem Sturm im Garten gesehen und du hättest versucht, wieder ins Haus zu kommen, als du den Alarm gehört hast. Das könnte ihn überzeugt haben, glaube ich.«
    »Das haben sie getan?«, frage ich.
    Sie lächelt ein bisschen und streicht mir das Haar hinters Ohr. »Sie mögen dich wohl. Besonders Gabriel.«

    Gabriel! Seine blauen Augen durchdringen das Chaos. Seine ausgebreiteten Arme. Ich erinnere mich, auf ihn gefallen zu sein. Ich erinnere mich, wie sicher ich mich gefühlt hatte, bevor die Welt im Nichts verschwand.
    »Er ist mir gefolgt«, sage ich.
    »Der halbe Haushalt ist dir gefolgt«, sagt sie. »Sogar Hauswalter Linden. Er ist von mehreren herumfliegenden Ästen getroffen worden.«
    Linden. Mit blauen Flecken schläft er an meiner Seite. Aus seinem Mundwinkel tröpfelt ein bisschen Blut. Mit dem Finger wische ich es weg.
    »Ich dachte, du wärst tot«, sagt sie. »Gabriel hat dich in die Küche getragen, und es sah aus, als wäre jeder Knochen in deinem Körper gebrochen.«
    »Beinahe«, sage

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