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Totentöchter - Die dritte Generation

Totentöchter - Die dritte Generation

Titel: Totentöchter - Die dritte Generation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cbt Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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unanständiges Wort.«

Am Morgen der Wintersonnenwende gelingt es Jenna, einem der Diener das Feuerzeug zu stehlen, nachdem er den Weihrauch im Flur angezündet hat. Sie gibt vor, mit ihm zu flirten, und als sie ihren Stapel frivoler Liebesromane fallen lässt, will er sie ihr unbedingt aufheben und sie schafft es, ihm das Feuerzeug direkt aus der Hand zu nehmen. Er merkt gar nicht, dass es weg ist, so gefesselt ist er von ihrem Lächeln.
    »Bye, bye!« Sie lächelt, während er geht, und er bleibt mit seiner Krawatte beinahe in den sich schließenden Fahrstuhltüren hängen. Sowie er weg ist, verschwindet alles Verführerische aus ihren grauen Augen – sie wird wieder einfach nur zum Mädchen. Von meiner Tür her applaudiere ich ihr, sie knickst und hebt den Rock dabei an. Sie schwitzt ein bisschen, so als wäre sie von der Anstrengung erschöpft. Aber sie hält das Feuerzeug hoch wie eine Trophäe.
    »Was willst du damit machen?«, frage ich.
    »Gib mir eine von deinen Kerzen, dann zünde ich das Wohnzimmer an«, sagt sie ganz sachlich.
    »Wie bitte?«
    »Wenn Hauswalter Linden und der Hausprinzipal und die Diener den Alarm hören, werden sie angerannt kommen,
um zu sehen, was los ist. Und dann kannst du in den Keller runter.«
    Das ist nicht der verrückteste Plan, den man sich ausdenken kann, betont sie, und ruft mir meine Berührung mit dem Tod draußen auf dem Minigolfplatz in Erinnerung. Aber sie soll warten, bis ich die grünen Kontaktlinsen eingesetzt habe. »Vielleicht werde ich damit nicht gleich erkannt«, sage ich. Sogar Diener, die mich noch nie gesehen haben, haben von mir gehört. Rhine. Die Nette, die sich nicht beschwert. Die diese ungewöhnlichen Augen hat.
    Jenna ist beeindruckt von meiner List. »Nimm dir einen Schutzanzug«, sagt sie. »Damit erkennt dich bestimmt keiner. In einem der Labore müssten welche sein.« Ich erzähle ihr nicht, welch schreckliche Angst mir der Gedanke macht, mich in einen dieser dunklen Räume zu wagen. Ich nicke nur und gebe ihr eine der Lavendelkerzen, die mir abends beim Einschlafen helfen sollen. »Du bleibst hier drinnen«, sagt sie. »Und wenn der Alarm losgeht, versuchst du einfach, unsichtbar zu sein.« Sie lächelt mich an und verschwindet mit einem kleinen Hüpfer. Ich glaube, sie hat dieses Haus schon lange anzünden wollen.
    Ein paar Sekunden später plärrt der Feueralarm los. Die Lichter an der Decke blitzen. Auf der anderen Seite des Flurs fängt das Baby an zu schreien und Cecily läuft mit den Händen auf den Ohren auf den Flur hinaus. Die Fahrstuhltüren gehen auf und Diener strömen heraus, aber Linden und Vaughn tauchen erst auf, als die Kabine zum zweiten Mal wiederkehrt, und da kann man schon Rauch aus dem Wohnzimmer quellen sehen. Die Frauenetage
ist durch kein Treppenhaus zu erreichen, und ich hab mich schon immer gefragt, was wohl passiert, wenn hier mal ein Feuer ausbricht. Wie ich Vaughn kenne, würde er Lindens Frauen sterben lassen und uns später durch neue ersetzen.
    Für mich ist es leicht zu entkommen. Natürlich gewährt mir die Schlüsselkarte keinen Zugang zum Kellergeschoss, also muss ich den Notknopf drücken. Doch bei all der Unruhe, und weil der Alarm ohnehin schon schrillt, fällt das nicht weiter auf. Die Türen öffnen sich und ich bin im fensterlosen Untergeschoss. Hier unten herrscht eine unheimliche Stille. Keine Sirene ist zu hören – und die Deckenbeleuchtung flimmert träge.
    Grünäugig und anonym stolpere ich an der Wand entlang, flüstere Gabriels Namen und halte Ausschau nach einem Schutzanzug. Ich finde einen ganzen Schrank voll davon und ziehe hastig einen der Anzüge über meine Sachen. Innen riecht er scharf nach Plastik, als würde man langsam ersticken. Ich atme so tief, dass das Gesichtsfenster beschlägt. Es ist wie in einem Albtraum. Wie lebendig begraben zu sein.
    »Gabriel!« Mein Flüstern wird immer verzweifelter. Ich hoffe, dass er einfach mit mir zusammenstößt oder dass ich um eine Ecke biege und er da ist, den Fußboden wischt oder Notvorräte sortiert. Und während ich hoffe, keine Tür öffnen zu müssen, höre ich seine Stimme. Zumindest denke ich, dass es seine Stimme ist. Man hört so schlecht in diesem Ding und meine eigenen Atemgeräusche werden in der engen Hülle noch verstärkt.

    Mich berührt etwas an der Schulter und ich zucke zusammen.
    »Rhine?« Er dreht mich um und da ist er. Gabriel. In einem Stück. Nicht betäubt auf einem Operationstisch. Nicht voller blauer Flecke. Nicht

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