Totentrickser: Roman (German Edition)
leiden.«
»Keine Sorge«, entgegnete Rinalf. »Sie war tot, bevor sie überhaupt begriffen hatte, was vor sich ging.«
»Das ist gut. Man ist schließlich kein Sadist. Nun, dann steht ja der Zahlung der zweiten Rate nichts mehr im Weg. Ich denke auch, ich werde einen kleinen Bonus … Was hat er denn?«
Der Herzog, einen Geldbeutel in der Hand, richtete seinen erstaunten Blick auf Falfnin, der totenbleich geworden war und am ganzen Körper zitterte.
»Vielleicht sollte er etwas an die frische Luft …«
Er kam nicht dazu auszusprechen, denn aufschreiend warf sich Falfnin mit solcher Wucht auf den Herzog, dass er ihn, obwohl der andere um einiges schwerer war, sofort zu Boden riss.
»Du hast sie ermordet!«, schrie er und bearbeitete das Gesicht des Herzogs mit seinen Fäusten. »Du elendes Schwein! Du hast sie ermordet!«
Der Meister war aufgesprungen.
»Falfnin, was ist denn in dich gefahren!«, rief er, während Rinalf herbeistürzte, Falfnin an den Schultern packte und ihn von seinem Gegner fortzuziehen versuchte, womit er bei dem jungen Meisterdieb, dem sein Zorn ungeahnte Kräfte verliehen hatte, jedoch nur wenig auszurichten vermochte.
Nachdem er dem Herzog, der hilflos sein Gesicht mit den Händen zu schützen versuchte, noch einige Schläge versetzt hatte, riss sich Falfnin los und rannte aus dem Zimmer, ohne noch einen Blick zurückzuwerfen.
Es war das letzte Mal, dass er das Waisenhaus Hoffnungsschimmer betreten hatte.
Zwei Wochen waren vergangen.
Eine Zeitlang hatte der Herzog nicht am gesellschaftlichen Leben der Stadt teilgenommen (was auch verständlich war, angesichts des schmerzlichen Verlustes seiner Frau), doch an diesem Abend zeigte er sich erstmals wieder in der Öffentlichkeit.
Es war im großen Opernhaus von Verderbnis, wo schon seit Monaten die Oper Veskala und Ephiros oder Der Liebesgöttin Tod gegeben wurde, ein echter Publikumserfolg. Der Herzog hatte seine übliche Loge bezogen – in Gesellschaft von zwei stadtbekannten Konkubinen, wie sich die stets mehr an Tratsch als an den Vorgängen auf der Bühne interessierten Opernbesucher amüsiert unter vorgehaltener Hand zuraunten.
Gerade war der zweite Akt zu Ende gegangen, und die beiden weiblichen Begleiterinnen hatten die Loge verlassen, um sich während der Pause »frisch zu machen«.
Der Herzog war allein zurückgeblieben.
Über die Brüstung des Balkons vorgebeugt, vertrieb er sich die Zeit damit, durch sein Opernglas die Dekolletés der Damen im Parkett zu begutachten.
Von dieser Beschäftigung ließ er auch dann nicht ab, als hinter ihm die Logentür geöffnet wurde.
»Durchlaucht, ich bringe den Champagner«, sagte eine Stimme.
»Jaja«, der Herzog winkte nachlässig, ohne sich von den üppigen Aussichten abzuwenden. »Stell’s einfach hin und dann verschwinde.«
»Sehr wohl.«
Ein Korken knallte, nacheinander wurden drei Gläser eingeschenkt.
»Da wäre noch etwas …«
»Was denn?«, erwiderte der Herzog ungeduldig. »Trinkgeld ist in der Börse dort, bedien dich selbst. Wenn du aber mehr als zehn Kopeken nimmst, werde ich persönlich dafür sorgen, dass deine rechte Hand noch vor dem Ende dieser Woche auf dem Block des Scharfrichters liegt.«
»Darum geht es nicht. Ich habe eine Botschaft für Euch.«
»Eine Botschaft? Von wem?«
»Von Eurer Frau.«
Verärgert über diesen geschmacklosen Scherz, wandte sich der Herzog um.
»Was glaubst du eigentlich, mit wem du es …«
Der Herzog verstummte.
Seine Augen weiteten sich vor Schreck, schützend hob er die Hände, wie um einen Schlag abzuwehren.
Als die Konkubinen wenig später in die Loge zurückkehrten, hatte bereits der dritte Akt begonnen, und die Liebesgöttin sang gerade mit unvergleichlicher Intensität die berühmte Schmerzens-Arie, am Ende begleitet von einem brausenden Orchester.
Daher dauerte es eine Weile, bis jemand auf die Entsetzensschreie der beiden Frauen in der herzoglichen Loge aufmerksam wurde.
Ein Blutstropfen rann von Falfnins Hand.
Während er, auf das Geländer der Pagode gestützt, in seine Erinnerungen versunken gewesen war, hatten seine Finger gedankenverloren mit einer Rose gespielt und sich dabei an den scharfen Dornen verletzt.
Jetzt stieß er einen schmerzvollen Seufzer aus und ließ die Rose fallen.
All die langen Jahre … und noch immer schmerzte die Wunde wie am ersten Tag.
Würde ihn die Vergangenheit niemals loslassen?
Plötzlich beugte er sich vor.
Dort auf dem Parkweg hatte sich eine Gestalt gezeigt,
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