Totentrickser: Roman (German Edition)
zitierte Rinalf statt einer Antwort. »Heißt es nicht so? Nun, dieser Moment … Dieser Moment ist nun für Euch gekommen.«
Mit einem Schritt war Rinalf bei ihr, Falfnin sah Stahl aufblitzen, dann stieß die Unbekannte einen Seufzer aus, mehr vor Überraschung als aus Schmerz, und sank in sich zusammen.
Falfnin blieb das Herz stehen.
»Du hast sie ermordet!«, brachte er mit zugeschnürter Kehle hervor.
»Ich habe den Auftrag vereinbarungsgemäß erledigt«, erwiderte Rinalf. »Diesmal bekommst du deinen Anteil noch fürs Rumstehen und Zusehen. Beim nächsten Mal musst du auch etwas dafür tun. Und jetzt lauf, bevor wir gesehen werden.«
»Aber …«
Falfnin kniete bei der Unbekannten nieder und streckte die Hand nach ihrem Schleier aus.
»Ich sagte, wir verschwinden von hier«, zischte Rinalf und packte ihn am Arm.
Halb besinnungslos vor Entsetzen, wie er war, ließ sich Falfnin von ihm fortziehen. Sie stiegen in die Kutsche, die vor dem Park auf sie gewartet hatte, der Kutscher schwang die Peitsche, und die Pferde setzten sich in Bewegung.
Laut hallte das Klappern ihrer Hufe in den nächtlichen Straßen wider.
Als sie vor dem Waisenhaus hielten, war Falfnin noch immer wie gelähmt. Willenlos taumelte er Rinalf hinterher, seine Beine fühlten sich an, als wären sie aus Blei.
Um diese Zeit herrschte völlige Stille auf den Gängen, nur aus dem Zimmer des Vorstehers war Stimmengemurmel zu hören.
Auf das »Herein!« des Meisters betraten sie den Raum.
Eine Flasche Wein und einen gefüllten Becher vor sich, saß der Vorsteher hinter dem Schreibtisch. Ihm gegenüber, so dass Falfnin zunächst nur seinen breiten Rücken sehen konnte, hatte ein beleibter, vornehm gekleideter Mann Platz genommen, der eine gepuderte Perücke trug und seine fleischigen Finger um den Knauf eines goldverzierten Spazierstocks geschlossen hielt.
»… ja, die Straßenkinder sind eine wahre Plage.«, sagte er gerade im Plauderton, als sie eintraten. »Man kann kaum eine Spazierfahrt durch die Stadt machen, ohne von ihnen belästigt zu werden. Selbst wenn sie einen nicht anbetteln, genügt doch schon ihr Anblick, um einem den Tag zu verderben. Man müsste wirklich etwas dagegen unternehmen.«
»Wir geben uns große Mühe, wenigstens einige dieser bedauernswerten Geschöpfe von der Straße zu holen«, entgegnete der Meister. »Aber wir können natürlich nicht allen helfen. Ah, Rinalf, Falfnin«, sagte er, als die beiden hereinkamen. »Ist alles erledigt? Oder gab es unvorhergesehene Schwierigkeiten?«
»Alles erledigt«, erwiderte Rinalf. »Keine Schwierigkeiten.«
»Ausgezeichnet. Unser geschätzter Auftraggeber, der Herzog, war so freundlich, sich selbst herzubemühen, um die ausstehende Rate zu zahlen.«
»Ich nehme Eure Dienste immer wieder gerne in Anspruch«, versetzte der andere. »Ihr seid diskret, professionell und, wenn ich das so sagen darf, vergleichsweise günstig.«
»Wir tun unser Bestes, unsere Kunden zufriedenzustellen«, antwortete der Meister.
»Ich bin ausgesprochen zufrieden«, ließ ihn der Herzog wissen. »Nüchtern besehen, war dies die sauberste Lösung. Nicht, dass ich aus Eifersucht gehandelt hätte. Derartige Gefühle bei mir zu wecken ist noch keiner Frau gelungen, was wohl daran liegt, dass ich bis jetzt noch jede Frau bekommen habe, die ich besitzen wollte.« Schlürfend nahm er einen Schluck Wein. »Um ehrlich zu sein, mir lag nicht einmal besonders viel an meiner Frau. Denn ist nicht letzten Endes jeder ersetzbar? Ich halte auch nicht viel von ehelicher Treue – das heißt, sofern diese Tugend mir selbst abverlangt wird.« Er lachte. »Aber ich stehe eben nicht gerne als gehörnter Trottel da. Und als ich erfuhr, dass meine Frau, mein mir angetrautes Eheweib, das mir ewige Treue geschworen hat« – diese Worte stieß er in plötzlich verbissenem Tonfall hervor – »dass meine teure Gattin mich mit einem Anderen betrügt, sah ich mich gezwungen, gewisse Maßnahmen zu ergreifen, um meinen Ruf als Mann zu wahren, der seinen Besitz zusammenzuhalten weiß oder ihn wenigstens vernichtet, bevor er dem Feind in die Hände fällt.«
»Völlig verständlich«, nickte der Meister.
»Nicht wahr? Ich habe zwar noch nicht herausgefunden, wer dieser Feind ist, aber das werde ich schon noch in Erfahrung bringen.«
Als sich der Herzog bei diesen Worten umwandte, erstarrte Falfnin zu Eis.
»Das also sind die beiden, die den Auftrag ausgeführt haben? Ich hoffe, sie musste nicht zu sehr
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