Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Totentrickser: Roman (German Edition)

Totentrickser: Roman (German Edition)

Titel: Totentrickser: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Oldenburg
Vom Netzwerk:
unschlüssig, was er als Nächstes unternehmen sollte.
    Aus seiner Schulter ragte das Heft des Dolchs hervor.
    Er traf eine Entscheidung und stieg über das Geländer der Empore zurück, hielt sich mit beiden Händen daran fest und ließ sich langsam nach unten gleiten.
    Ein Ächzen entrang sich seiner Kehle.
    Er wartete, bis die Schritte der Kinder so nah herangekommen waren, dass sie jeden Moment die Empore betreten mussten, dann löste er seinen Griff und ließ sich nach unten fallen.
    Die Beine gaben unter ihm nach, doch indem er seine letzten Kräfte zusammennahm, richtete Falfnin sich wieder auf und humpelte davon, um sich in den Schatten zu verbergen.
    Bolgur tanzte.
    Er tanzte, wie er noch nie zuvor in seinem Leben getanzt hatte, was eigentlich keine besondere Leistung darstellte, wenn man bedachte, dass es überhaupt das erste Mal war, dass er tanzte.
    Die Welt war eine Explosion aus Farben und Klängen, ein Wirbel aus Formen und Bewegungen, ein Kaleidoskop aus Licht und Rhythmus, und das wirklich Verrückte an der Sache war, dass sich das eine urplötzlich in das andere und wieder zurück verwandeln konnte: Die gleichmäßig dahinrollenden Schläge der Basspauke bildeten einen mitreißenden Fluss aus irgendwie plüschigem Purpur, das Schnippen der Messingbecken erschien als warm aufflammendes Orange, und die süßlichen Melodien der Fiedeln waren als schillernde Linien in die Luft gezeichnet, so dass es aussah, als könnte man sie mit den Händen greifen – es schien nicht nur so, man konnte es tatsächlich, stellte Bolgur fest und streichelte entzückt ein sanft geschwungenes D -Dur-Motiv, das sich einem weniger drogenverschleierten Blick als das Gesicht eines trollischen Mittänzers dargestellt hätte, der sich diese liebevolle Behandlung jedoch sichtlich gern gefallen ließ.
    Verwandlung, dachte Bolgur hingerissen, Metamorphose, das Prinzip des Lebens. Cousin Ruglob hatte es immer gesagt. In einem Moment der vollständigen Erleuchtung begriff er es jetzt, begriff auf einmal alles, das Leben, die Welt, das Universum, das Sein und das Nichts. Einfach alles. Es war so simpel, dass er laut auflachen musste, so wunderschön, dass Tränen der Freude seine Wangen hinunterrannen.
    Alles war alles – und umgekehrt.
    In Wirklichkeit gab es gar keine Gegensätze, keine Grenzen, keine Einzelheiten. Es gab nur diese eine wundervolle Totalität der Verwandlungen, des Ineinanderströmens und Durchdringens, deren Teil er selbst war.
    Bolgur lächelte beseligt, und die ganze Welt lächelte mit ihm.
    »Ich bin ein bunter Regenbogen des Glücks!«, jauchzte er, seinen muskulösen Barbarenogerkörper im Rhythmus der Musik herumwuchtend.
    »Du sagst es, Bruder!«, entgegnete der Troll mit dem D -Dur-Gesicht. Er klatschte im Takt der Musik in die Hände und schob sich näher an Bolgur heran. »Dein Outfit finde ich übrigens echt scharf! Vor allem die Keule.«
    »Danke!«, antwortete Bolgur leutselig. »Deine Klamotten sind aber auch ziemlich … stark! Bist du bei der Polizei?«
    Der Troll tippte lächelnd an seine Polizistenmütze – seine »ziemlich starken Klamotten« bestanden vorwiegend aus schwarzem Leder und waren recht luftig ausgeschnitten.
    »Ja«, entgegnete er verschwörerisch. »Ich bin bei der Polizei – der Anti-Schlechte-Laune-Polizei. Wenn wir wen erwischen, der schlecht drauf ist, nehmen wir ihn fest und kitzeln ihn so lange durch, bis er wieder fröhlich wird.«
    »Dolle Geschichte!«, zitierte Bolgur seinen Kampfgefährten Brom. »Aber ich muss Sie enttäuschen, Officer: Des Tatbestandes, schlechte Laune zu haben, bin ich nun wirklich nicht schuldig!«
    »Dein Glück!«, lachte der Troll. »Sonst hätte ich dir nämlich gleich die hier anlegen müssen!«
    »Oh, richtige Handschellen hast du auch!«
    »Ja, richtige Handschellen habe ich auch! Ich heiß übrigens Bruce!«
    »Ich bin Bolgur!«
    »Freut mich!«
    Der Anti-Schlechte-Laune-Polizist tänzelte noch näher an Bolgur heran und stellte sich auf die Zehenspitzen, um an dessen Ohr zu gelangen.
    »Hey, ähm, Bolgur«, flüsterte er, »es gibt da so einen netten kleinen Club in der Stadt, wo meine Freunde und ich immer hingehen … Ist gemütlich da, klasse Musik, supersympathische Szene. Also, wenn du Lust hast mitzukommen …«
    »Klar hab ich Lust!«, erwiderte Bolgur.
    Heute Abend, das spürte er, würde er zu nichts und niemandem nein sagen. Die Leute waren ja auch so freundlich und das Leben wunderbar!
    »Toll!«, sagte der Troll. »Ich

Weitere Kostenlose Bücher