Totentrickser: Roman (German Edition)
zu dürfen.«
»Mit Themenvielfalt haben sie es hier anscheinend nicht so«, kommentierte Falfnin.
»Zwischen diesen Buchdeckeln ist alle Weisheit der Welt versammelt«, behauptete Brom und blätterte andächtig in einem der Bände.
»Ach ja?«, fragte Bolgur interessiert. »Auch Wardins Evolutionslehre?«
Brom klappte das Buch zu.
»Du bist mein Freund, Bolgur«, sagte er kopfschüttelnd. »Und darum tut es mir von Herzen leid, dass du nach deinem Tod in den Flammen der Unterwelt für deine lästerlichen Reden wirst büßen müssen.«
Selphyne war gerade im Begriff, ihr Buch ins Regal zurückzustellen, als sie stutzte.
»Ach«, sagte sie, unbekümmert lächelnd, »vielleicht nehme ich es doch gleich mit. Wer weiß, womöglich ist Yrth ja so gnädig, auch meine unwissende Seele zu erleuchten.«
»Das ist löblich«, nickte Brom weise. »Denn es ist nie zu spät, der ewigen Verdammnis zu entrinnen. Außer für dich, Bolgur«, fügte er mit ernster Miene hinzu. »Bei dir ist aller Voraussicht nach wohl wirklich nichts mehr zu retten.«
»Cousin Orgbul sagt, Religion ist eine Kette aus Falschgold, um die unteren Klassen unentrinnbar an ihr Elend zu fesseln«, grummelte der Ogerbarbar beleidigt.
»Kommt, lasst uns weitergehen«, bedeutete ihnen Severin. »Ich zeige euch nun, wo Nenia zur Schule gehen wird.«
Yrth, Yrth Yrth, Yrth,
sang der Mädchenchor.
Yrth, Yrth Yrth, Yrth,
Yrth, Yrth Yrth, Yrth,
Yrth, Yrth, Yrth ist gut.
»Yrth ist gut!«, lächelte die Lehrerin, eine dicke Troll-Akolythin namens Schwester Pomeranzia. »Und nun möchte ich euch jemand ganz besonderen vorstellen! Nenia, sei so lieb und komm zu mir nach vorn.«
Die kleine Nachtelfe trat vor die Klasse, neugierig beäugt von zwanzig Augenpaaren.
»Das ist Nenia. Sie wird von nächster Woche an mit uns lernen, wie man ein yrthgefälliges Leben führt!«
»Das werden wir noch sehen«, murmelte Selphyne, die mit den anderen im hinteren Bereich des Klassenzimmers stand.
»Gibt es vielleicht etwas, das du deinen künftigen Mitschülerinnen sagen möchtest, Nenia?«, fragte Schwester Pomeranzia freundlich.
»Ja.«
Die Tochter des Totenbeschwörers ließ ihren diabolischen Blick über die künftigen Mitschülerinnen schweifen.
»Das ist Gorgontua«, sagte sie und hielt ihre Drullpuppe hoch. »Er kann die Zukunft sehen.«
»Oh, das ist aber natürlich nur ein heidnischer Aberglaube«, beeilte sich Schwester Pomeranzia einzuwenden. »Wenn du fleißig mit uns lernst, wirst du bald einsehen, dass …«
»Was sagst du?« Nenia hielt sich Gorgontua ans Ohr und tat, als höre sie ihm zu. Dann wandte sie sich scheinbar äußerst beunruhigt an die Klasse.
»Gorgontua meint, er hat den Tod gesehen.«
Zwanzig Mädchen schnappten erschrocken nach Luft.
»Viele werden grausam sterben, sagt er. Blut wird in Strömen fließen, Gebeine werden krachend zerbrechen, Augäpfel herausgerissen werden.«
»So«, sagte Schwester Pomeranzia mit erstarrtem Lächeln. »Nun reicht es aber.«
»Und die Neunzehn Höllen werden ihre Pforten auftun«, prophezeite Nenia. Ein bedrohliches Grollen mischte sich in ihre Stimme, und ein unterweltlicher Chor schien jedes ihrer Worte wispernd zu wiederholen. »Und die dämonischen Horden werden einfallen in die Welt der Sterblichen, um zu verderben und Leid und Qual zu säen, wo immer sie sich hinwenden.«
Plötzlich schien alles Licht aus dem Raum gesaugt worden zu sein.
Einige der Mädchen schluchzten.
»Und die Sonne wird ausgelöscht werden und der Himmel verdunkelt und die Seelen der Toten, namenloser Folter ausgesetzt, werden vergeblich um Erlösung flehen.«
»Sei still!«, rief Schwester Pomeranzia entsetzt. »In Yrths Namen, sei endlich still!«
Sie unternahm einen vergeblichen Versuch, Nenia ihre Drullpuppe fortzunehmen.
»Wirklich?« Die kleine Nachtelfe starrte die Akolythin an, während Gorgontua ihr scheinbar Unaussprechliches ins Ohr flüsterte. »Wird ihr Schicksal wirklich so schrecklich sein?«
Pomeranzia erbleichte.
»Was sagt er?«, krächzte sie atemlos. »Was sagt er über mein Schicksal?«
Nenia kicherte boshaft.
»Gorgontua sagt, du wirst …«
»Die Kleine hatte eine schwere Kindheit«, erklärte Selphyne, während drei Novizen mit einer Trage anrückten, um die ohnmächtig gewordene Schwester Pomeranzia abzutransportieren.
»Ihre Seele von den dunklen Einflüssen zu reinigen wird nicht leicht werden«, bemerkte Severin ernst. »Doch mit dem Segen Yrths ist alles möglich. Kommt,
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