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Totentrickser: Roman (German Edition)

Totentrickser: Roman (German Edition)

Titel: Totentrickser: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Oldenburg
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Überlegungen zunächst einmal ausklammern«, sagte Bolgur. »Halten wir stattdessen fest, was wir als gesichert annehmen können: Also, das männliche und das weibliche Erbgut verschmelzen, und die befruchtete Eizelle …«
    Die Matriarchin war aufgestanden und hatte sich von ihm abgewandt.
    Würdevoll schritt sie den drei Gästen entgegen, die soeben die Halle betreten hatten.
    »Willkommen, müde Wanderer«, lächelte sie. »Ihr könnt euch nun ausruhen, denn ihr seid am Ziel eurer Reise angelangt.«
    Selphyne hatte sich noch nie zuvor so leicht gefühlt, so befreit von aller Last und Schwere des Daseins. Verwundert sah sie die weißen Wolkenschleier unter ihren Füßen dahintreiben und blinzelte in den blauen Himmel über sich.
    War sie gestorben?
    War dies das Paradies?
    »Ja«, sagte die wunderschöne Königin in dem blendend weißen Gewand. »Dies ist das Paradies. Nein, du bist nicht gestorben. Du warst nie lebendiger. Denn siehe: Yrth hat dich aus dem Abgrund der Welt heraufgeholt und dir das Leben geschenkt.«
    Aufgeregt drückte Zol auf den Tasten herum.
    »Hallo? Hört ihr mich? Hallo? Verdammt, ich habe sie verloren! Ich hätte sie niemals in die Brutkammer schicken dürfen. Jetzt werden sie alle sterben!«
    »Geschieht ihnen recht«, schmollte Nenia. »Wenn sie mich mitgenommen hätten, wäre ihnen das nicht passiert!«
    »Denn Yrth ist das Licht und die Gnade«, sagte die Matriarchin.
    Ja, dachte Selphyne.
    Yrth war das Licht und die Gnade.
    Ihr ganzes Leben war ein einziger, langer Irrweg, sie selbst eine blinde Wanderin in finsterer Nacht gewesen.
    Doch nun war die Zeit des Frohlockens und Lobpreisens angebrochen, denn sie hatte Yrth gefunden und war von Yrth gefunden worden.
    »Gepriesen sey Yrth!«, verkündete Selphyne.
    »Yrth sey gepriesen!«, hörte sie Brom neben sich enthusiastisch antworten.
    Die Matriarchin näherte sich dem Zwergenkrieger und nahm seine Hand.
    »Komm«, sagte sie. »Lass uns nun die Vereinigung vollziehen. Denn es soll gezeugt werden ein Führer und Feldherr, die Rechtgläubigen zu sammeln unter dem Banner des Sehenden Auges!« Sie kniff die Augen zu und fügte kritisch hinzu: »Du weißt doch hoffentlich, wie das mit der Zeugung funktioniert, oder?«
    »Mein Schulkumpel Uldi hat mir so ein Heft besorgt«, antwortete Brom hypnotisiert. »Mit Bildern drin. Aber als Tante Brunhilda es in meinem Ranzen gefunden hat, hat sie mir eins an die Backen gegeben und gesagt, das wär nix für mich, und wenn sie noch mal solchen Schweinkram bei mir fände, könnte ich mich aber auf was gefasst machen!«
    »Das muss genügen«, entschied die Matriarchin und zog den Zwergenkrieger zu dem schwebenden Bett.
    »Lobet die Stunde«, jubilierte Selphyne, »denn das Weltgericht ist nah!«
    »Lobet die Stunde«, wiederholte die Matriarchin ungeduldig. »Und jetzt runter mit der Kutte, aber fix.«
    »Byn schon dabey«, antwortete Brom.
    »Lutsch mal hier dran, Bitsch!«, zerriss plötzlich ein frevlerischer Missklang die himmlische Harmonie.
    Ein harsches Krachen ertönte, und die Matriarchin erstarrte.
    Mit weit aufgerissenen Augen griff sie sich an die Kehle und stieß röchelnde Laute aus.
    Babylonia senkte zufrieden ihre Waffe.
    »Entschuldige meine Ausdrucksweise, aber diese Welt ist zu klein für uns beide.«
    »Was hast du getan!«
    Selphyne war im Begriff, sich wütend auf die Frevlerin zu stürzen, als eine seltsame Verwandlung in der Halle vor sich ging.
    Die Matriarchin war auf die Knie gesunken, dunkles Blut sickerte aus ihrem Mund und besudelte ihr weißes Gewand.
    Um sie herum lösten sich die Wolkenschleier auf und vergingen, auch der blaue Himmel färbte sich dunkel und das gleißende Licht verschwand.
    Erschrocken betrachtete Selphyne die veränderte Umgebung.
    Die Wände und der Boden der Halle waren mit pulsierendem, schleimglänzendem Gewebe überzogen, das auf ekelerregende Weise lebendig zu sein schien. An mehreren Stellen lagen große Haufen von durchsichtigen, mit einer gelblichen Flüssigkeit gefüllten Blasen, in denen unverwandt glotzende Augäpfel schwammen.
    Als Selphyne sich der Matriarchin zuwandte, verschlug es ihr den Atem.
    Die wunderschöne Königin der Yrth hatte sich in eine widerwärtige, alptraumhafte Kreatur verwandelt, ihr aufgedunsener, von hässlichen Geschwüren bedeckter Leib blähte sich unter schweren Atemzügen, aus ihrem schiefen, lippenlosen Maul kamen zischende, gurgelnde Laute:
    »Zrrrryscht grrrryrrkk nrrryschhhhhh

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