Totentrickser: Roman (German Edition)
Lanze sein Herz durchbohrte.
»Mach dich bereit«, flüsterte eine schreckliche Stimme in seinem Kopf. »Der Zeitpunkt für die letzte Reise ist gekommen.«
Aufstöhnend griff sich Dunkelblut an die Brust.
»Nein«, brachte er hervor. »Dies ist nicht die Stunde! Ich werde nicht mit dir gehen!«
(»Aber Onkel«, sagte Nenia in der anderen Realität, »ist dir nicht gut? Ich bin es doch nur, deine Nichte Nenia!«)
»Du bestimmst nicht die Stunde noch den Ort«, flüsterte die schreckliche Stimme. »Das Urteil ist gefällt, dein Stundenglas ist leer.«
»Nein! Nein!«, keuchte Dunkelblut.
Er sank in die Knie, seine Hand verkrampfte sich über seinem Herzen, dann kippte er vornüber und landete mit dem Gesicht flach auf dem Boden.
Brom trat zu ihm hin und fühlte seinen Puls.
»Den hat’s erwischt«, stellte er kopfschüttelnd fest. »Herzkasper.«
Ratlos standen sie um den Totenbeschwörer herum.
»Ich kann nicht behaupten, dass es mir besonders leid um ihn tut«, bemerkte Hakon Zwingenschmied. »Obwohl ich es natürlich im Namen der Firma Scrupel & Lohs bedauere, einen Kunden zu verlieren. Wärt ihr so freundlich, mich loszubinden?«
»Wie kommst du überhaupt hierher?«, fragte Falfnin, während er seine Fesseln durchschnitt. »Und was ist das für eine Maschine?« Er zeigte auf den großen, immer noch vor sich hin brummenden Apparat.
Zwingenschmied zog den Stecker heraus, und die Geräusche verstummten.
»Das ist der Revitalisator Jungbrunnen «, erklärte er. »Spitzentechnologie aus dem Hause Scrupel & Lohs, nach einem Design von Nechalziel, dem Geschmähten. [ Dieser Zusatz war das Resultat einer patentrechtlichen Klage von Nechalziels Erben. ] Der Revitalisator Jungbrunnen erlaubt die nahezu verlustfreie Absaugung und Transferierung von Lebenskraft. Person A (die Quelle) nimmt auf diesem Stuhl Platz, Person B (der Empfänger) auf diesem. Sobald der Jungbrunnen in Betrieb genommen wird, erfolgt die Übertragung der vitalen Energien von A nach B, was eine Verjüngung von bis zu einhundert Jahren erlaubt, je nach eingesetzter Quelle. Die Firma Scrupel & Lohs empfiehlt die Verwendung von Jungfrauen, von denen sie selbst ein breit gefächertes Angebot in ihrem Sortiment führt, astronomisches Geburtszertifikat im Lieferumfang enthalten. Bei größeren Bestellungen auch mit Mengenrabatt.«
»Und diesmal solltest du die Rolle der Jungfrau spielen?«, fragte Falfnin.
»Naja«, lachte Zwingenschmied unbekümmert. »Das sind eben die Risiken, denen man als Vertreter der Firma Scrupel & Lohs ausgesetzt ist.«
»Das heißt, du arbeitest nicht mehr für Stechli & Kreysch?«, fragte Selphyne.
»O nein.« Hakon Zwingenschmied schüttelte den Kopf. »Wie ihr seht, habe ich mein Versprechen gehalten, die Finger vom Foltergeschäft zu lassen.«
»Stattdessen bist du jetzt bei Scrupel & Lohs, dem weltweit größten Handelshaus für Schwarzmagiebedarf und finstere Machenschaften.«
»Ja«, sagte Zwingenschmied.
»Und du kannst da keinerlei moralische Inkonsequenz erkennen?«
Zwingenschmied kratzte sich am Kopf.
Moralische Inkonsequenz?
Die Bezahlung bei Scrupel & Lohs war nicht sensationell gut, im Vergleich zu anderen Arbeitgebern aber auch nicht zu knauserig. Die Provisionen stimmten, und Überstunden wurden tatsächlich angerechnet, da hatte Zwingenschmied schon ganz anderes erlebt.
»Ähm, nein«, sagte er. »Sollte ich?«
»Wir sollten wirklich aufhören, dem Karma ins Handwerk zu pfuschen«, sagte Falfnin kopfschüttelnd. »Kommt, lasst uns von hier verschwinden.«
»Gute Idee«, stimmte Zwingenschmied zu und warf einen Blick auf Dunkelbluts Leichnam. Qulolog, der Ghuldiener, hatte sich über seinen toten Meister geworfen und wimmerte leise. »Ich glaub allerdings nicht, dass der Job bei Scrupel & Lohs auf die Dauer das Richtige für mich ist. Um ehrlich zu sein, hab ich von Totenbeschwörern auch so langsam die Nase voll. Ich werde mich wohl nach einem neuen, nekromantenfreien Betätigungsfeld umsehen.«
»Versuch es doch mal mit Sklavenhandel«, schlug Selphyne vor. »Moralisch völlig unbedenklich und sehr lukrativ, wie ich gehört habe.«
»Hm«, sagte Zwingenschmied nachdenklich. »Sklavenhandel. Daran hab ich noch gar nicht gedacht. Meint ihr?«
»Das war Sarkasmus«, meinte Selphyne. »Entschuldigung, falls ich zu subtil gewesen sein sollte.«
Schattensund ist die Stadt mit der höchsten Dichte von Totenbeschwörern pro Quadratmeter in den gesamten Fernen Ländern. Die zweitgrößte
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