Totentrickser: Roman (German Edition)
Berufsgruppe bilden die Bestattungsunternehmer, und da besteht durchaus ein Zusammenhang. Besucher der Stadt am Meer des Frostigen Dunstes sollten sich nicht wundern, wenn sie in den Schaufenstern der dortigen Begräbnisinstitute Slogans wie: Attraktive Sparangebote für Stammkunden oder Nur hier: Die Supergünstige Monatskarte! lesen.
Denn für manchen Schattensunder ist die eigene Beerdigung keineswegs ein einmaliges Erlebnis.
»Kennt ihr den schon?«, fragte der unerfahrene Totengräber, der gerade erst mit seinem jüngst erworbenen Gesellenbrief in Schattensund, dem Eldorado der Bestattungsbranche, angekommen war. »Wer baut fester als der Maurer, der Schiffsbaumeister oder der Zimmermann?«
»Keine Ahnung«, erwiderte sein Kollege, der sich auf seine Schaufel stützte. »Zwergensteinmetze?«
»Ja, glaub ich auch«, meinte der zweite Kollege. »Ich hab mal einen Zeitungsbericht über die unterirdischen Hallen von Zeherkzal gelesen. Ganz schön irre, was diese kleinen Bartfetischisten so drauf haben.«
»Nein«, lächelte der junge Geselle, sich der Wirkung seiner Pointe gewiss. »Der Totengräber!«
Die anderen beiden blickten verständnislos.
»Der Totengräber?«
»Schnall ich nicht.«
»Ist doch ganz klar«, begann der Geselle, »weil nämlich der Totengräber …«
Er wurde von einer leichenblassen Hand unterbrochen, die aus einem neuen Grab hervorschoss und die frisch angelegten Blumenbeete ruinierte.
»Schon wieder!«, fluchte der ältere Kollege. »Das ist jetzt das fünfte Mal diese Woche!«
Unter solchen Umständen erschienen Wendungen wie »Zur letzten Ruhe betten« eher weniger angebracht. Während des Zweiten Großen Nekromantenkriegs, als ganze Armeen von Zombies, Ghulen und Wiedergängern durch die Straßen spazierten, nagelte ein anonymer Scherzkeks, der das ähnlich sah, ein Schild mit der Aufschrift: Stundenhotel an das Friedhofstor.
Seitdem sich die Liga für den Schutz des Gestorbenen Lebens auch in Schattensund verstärkt für die Rechte der Verschiedenen einsetzte, waren derartige Exzesse jedoch seltener geworden.
Um wildes, nicht behördlich genehmigtes oder testamentarisch nicht ausdrücklich gewünschtes Leichenbeschwören zu unterbinden, war bei Bestattungen die Installation einer Reanimationssperre Pflicht, und zwar nicht nur bei Totenbeschwörern.
In Irenicus Dunkelbluts Fall ging man auf Nummer Sicher und verwendete außerdem einen verschweißten Stahlsarg, der mit zusätzlichen Schutzrunen versehen war, die eine dauerhafte Grabruhe gewährleisten sollten
Bolgur hielt einen philosophisch angehauchten Nekrolog, der davon handelte, dass der Totenbeschwörer von Schattensund einerseits ein Symbol, andererseits auch wieder mehr als nur ein Symbol gewesen sei, womit er seine Zuhörer, sich selbst eingeschlossen, einigermaßen ratlos zurückließ.
Nenia wirkte nicht allzu bedrückt, aber sie hatte ja auch kaum Gelegenheit gehabt, ihren verstorbenen Großonkel kennen zu lernen.
Hakon Zwingenschmied spendete im Namen der Firma Scrupel & Lohs ein Trauergesteck – schließlich handelte es sich bei dem Verstorbenen um einen geschätzten Kunden des Unternehmens – und bekräftigte noch einmal seinen Entschluss, sich nach einem nekromantenfreien Tätigkeitsfeld umzusehen.
Selphynes gutgemeinten Rat beherzigend (Ironie war seine Sache nicht, jedenfalls nicht, wenn es ums Geschäftliche ging), versuchte er es zunächst auf den Sklavenmärkten des Südens, wo, wie sich herausstellte, tatsächlich ganz gute Profite erzielt werden konnten.
Bald darauf geriet er allerdings in Gefangenschaft und wurde selbst als Sklave verkauft, jedoch unter unwahrscheinlich glücklichen Umständen wieder befreit, nachdem er sich monatelang beim Bau eines Vergnügungsparks für die Fantastik AG hatte plagen müssen, bis auf die Knochen abgemagert und von den Peitschenhieben der Aufseher gezeichnet.
Nach diesen »moralisch wachrüttelnden Erlebnissen« (seine eigenen Worte), beschloss er, auch dem Sklavenhandel den Rücken zu kehren und wurde stattdessen Personalchef bei der Fantastik AG .
Heute lebt er glücklich und zufrieden mit seiner Frau und seinen vier Kindern in einem Vorort von Sternheim und widmet sich in seiner Freizeit seinem liebsten Hobby, der Zucht und Pflege seltener Orchideenarten.
Die Helden machten sich nach dem kleinen Desaster mit Irenicus Dunkelblut noch am folgenden Tag auf den Weg nach Verderbnis, wo sich Thanatos’ Liste zufolge Nenias vierter Verwandter, die Schwarze
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