Totenverse (German Edition)
Druckmittel gewesen als das Videoband mit Fuad darauf. Immerhin war Mabus wirklich ein reicher Mann.
»Und wie ging es weiter?«, fragte Osama.
»Dann wurde sie wütend.« Fuad schnaubte und griff nach der Flasche. Er trank in tiefen Zügen, und Wasser rieselte ihm am Kinn herab. »Sie hat mich als Dieb beschimpft – als ob sie eine anständige Frau gewesen wäre. Sie hat gedroht, auf der Stelle zur Polizei zu gehen, wenn ich nicht Ja sagen würde. Ich hab immer nur gedacht: Das ist Abdulrahmans Schwester. Eine verfluchte Lügnerin, die andere ausnutzt, und sie hält sich für eine tugendhafte Frau. Das denkt die tatsächlich. Aber sie war verkommen.«
»Was ist dann passiert?«
»Sie hat mich angefasst. Sie hat meinen Arm angestoßen, weil ich nicht reagiert hab.« Er trank noch einen Schluck. »Und dann fing sie an, mir richtig zu drohen. ›Ich sag alles meinem Bruder. Dein Leben ist im Eimer.‹«
»Und das hat Sie richtig wütend gemacht.«
»Ja«, sagte er laut. »Sie stand für alles, was nicht in Ordnung ist in dieser Welt. Sie war verwöhnt und verlogen. Sie hatte keine Tugend. Sie nahm immer nur Geld von ihrem Bruder, tat nie was für andere. Wir waren in der Küche. Ich hab gekocht. Sie kam ganz nah an mich heran und hat mir mitten ins Gesicht gesagt: ›Ich sorge dafür, dass er dich hinter Gitter bringt.‹ Sie meinte Abdulrahman. Und da ist es mit mir durchgegangen. Ich hab die Pfanne genommen und sie ihr ins Gesicht geworfen. Das ganze heiße Öl, die Auberginen, alles. Sie hat die Hände hochgerissen, um sich zu schützen, aber es war … widerlich.«
Er stellte das Wasser hin. Seine Hände waren ruhig, aber in seinem Gesicht zuckte mühsam beherrschter Zorn. »Sie fing an, um sich zu schlagen und zu schreien. Es war, als hätte das Öl sie überhaupt nicht verbrannt. Sie drehte richtig durch, schleuderte einen Topf nach mir, warf mit Tellern und Gläsern. Ich hab mir das Einzige gegriffen, was ich finden konnte – den alten iqal , der an einem Haken in der Küche hing –, und hab ihr damit auf die Arme geschlagen, damit sie den ganzen Mist fallen ließ, den sie nach mir warf. Inzwischen war ich total außer mir. Ich wollte ihr wehtun. Sie war zu mir gekommen, um alles in den Schmutz zu ziehen. Sie hat sich ein Messer von der Arbeitsplatte geschnappt und ist auf mich losgegangen. Ich hab mir auch ein Messer geschnappt und auf sie eingestochen. Ich weiß nicht, wie oft. Sie hat versucht, mich abzuwehren, aber ich konnte nicht aufhören. Ich hab immer weiter auf sie eingestochen. Immer weiter …« Er verstummte. Sein Gesicht zeigte lediglich eine leichte Verwunderung, als könnte er es selbst nicht so richtig fassen. »Irgendwann hab ich dann gemerkt, dass sie tot war.«
»Aber sie war noch nicht tot«, sagte Osama. »Erst nachdem Sie ihr das Genick gebrochen hatten.«
»Ich wollte nur ganz sichergehen. Sie war … es gab kein Zurück mehr. Ihr Gesicht …« Er deutete auf sein eigenes Gesicht. »Es war vorbei.«
Langes Schweigen trat ein. Osama fiel in eine Art geistige Erstarrung, während er Fuad dumpf anblickte. Immer wieder gingen ihm die Worte Ihr Gesicht … Es war vorbei , durch den Kopf. Was sollte das heißen? Dass ihr Tod irgendwie unumgänglich geworden war, weil sie verbrannt und auf ewig entstellt war? Dass sie ohne ihr hübsches Gesicht keinen Zweck mehr im Leben erfüllte?
Osama zwang sich, die nächste Frage zu stellen. »Wie haben Sie ihr das Genick gebrochen?«
»Ich hab einfach ihren Kopf genommen.« Er spitzte die Lippen und führte die Tat pantomimisch vor. »Und dann ruckartig so gedreht …«
»Und die Verbrennungen an ihren Händen und im Gesicht?«
Zum ersten Mal wirkte Fuad beschämt. »Ich musste mehr Öl heiß machen, damit alles gleich aussah.«
»Warum?«
»Um sie unkenntlich zu machen.«
»Und dann haben Sie ihr die Jeans runtergezogen.«
Er nickte, öffnete den Mund und schloss ihn wieder. »Ich hab ihre Leiche zum Wagen rausgeschleift, und da ist ihre Jeans im Hüftbereich an irgendwas hängen geblieben. Ich hab den Stoff reißen hören. Ich wollte ihr die Jeans ausziehen, aber ich konnte nicht. Ich wollte möglichst schnell weg, also hab ich sie so gelassen, wie sie war.«
»Warum haben Sie sie zum Strand gebracht?«
»Was Besseres ist mir nicht eingefallen.«
Fuad schien keinerlei Reue zu empfinden. Anders als viele Täter fragte er an diesem Punkt nicht, ob die Chance bestand, dass der Richter Gnade walten lassen würde. Er
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