Totenverse (German Edition)

Grad klettern können. Außerdem hatte sie für mich schon immer einen gewissen romantischen Reiz als eine Landschaft mit untergegangenen Städten und sagenhaften Dschinn, als Weg des uralten Weihrauchhandels und als Gegend, wo nur so findige und entschlossene Menschen wie die Beduinen überleben können. Doch den ersten wahren Eindruck von der Wüste gewann ich durch die Lektüre meines Lieblingssromans über Saudi-Arabien –  Salzstädte von Abdulrachman Munif –, der das Leben in der Wüste ungemein realistisch und packend schildert. Ich wollte, dass Nayir in die Wüste geht, weil ich mir immer vorgestellt habe, dass er sich dort ganz anders fühlt – kraftvoller und befreiter und mehr im Einklang mit sich selbst, als ihm das in der Stadt möglich ist. Und mir gefällt der dramatische Kontrast zwischen der vollkommenen Leere im Leeren Viertel und der wuseligen Geschäftigkeit in Städten wie Dschidda.
    Wie sahen Ihre Recherchen für diesen Roman aus?  
    Ich habe stark auf meine in Dschidda lebenden Schwiegereltern zurückgegriffen, deren Ansichten über ihr Land ich sehr respektiere, auch wenn ich nicht immer mit ihnen einer Meinung bin. Meine Schwägerinnen wettern nach wie vor gegen die Einschränkung, dass Frauen nicht Auto fahren dürfen, andere können jedoch ganz gut damit leben und lassen sich weiterhin lieber von ihren Ehemännern herumkutschieren. Besonders dankbar bin ich meinem Exmann, dessen Schilderungen ich aufschlussreich und mitunter erschreckend finde. So hat er beispielsweise drei Frauen geheiratet und musste dann erleben, wie das Ganze in einem Desaster endete – was mich zu Nayirs und Osamas erstem gemeinsamem Polizeieinsatz inspirierte, einer Prügelei zwischen den drei Frauen eines Mannes. Der einzige Unterschied ist, dass die Polizei sich bei meinem Exmann schlichtweg weigerte, in einem Fall von häuslicher Gewalt zwischen Frauen überhaupt tätig zu werden.