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Totenverse (German Edition)

Totenverse (German Edition)

Titel: Totenverse (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoë Ferraris
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beiden Becher und schob die Flaschen in die Lehnentasche. Er hielt Miriam einen Becher hin. Sie schüttelte den Kopf, aber er ließ nicht locker. »Ich bitte Sie«, sagte er, »schlimmstenfalls zwingen sie uns, das Zeug in die Toilette zu kippen.«
    Sie kam sich wie ein Teenager vor und tat genau das, was sie damals auch getan hätte. Sie nahm den Wein. »Danke«, sagte sie und trank einen Schluck. Es war ein willkommenes Beruhigungsmittel. Nein, schlimmstenfalls verhaften sie uns und stecken uns nach der Landung ins Gefängnis .
    »Ihr erster Flug nach Dschidda?«, fragte er.
    »Nein, der zweite.« Miriam sah den Fernseher flackernd zum Leben erwachen. Ein großer Pfeil zeigte die Richtung nach Mekka an. Eine Stewardess verteilte Amenity Kits, gefolgt von einem Steward, der Kaffee und Datteln servierte. Miriam versteckte den Becher Wein rasch unter ihrem Klapptisch, aber die beiden schienen nichts zu bemerken, oder es war ihnen egal. »Und Sie?«, fragte sie, »Ihr erstes Mal?«
    »Nein. Ach übrigens, ich heiße Apollo.« Sein Lächeln war neckisch. »Apollo Mabus.«
    »Toller Name«, sie lächelte zurück. »Ich bin Miriam.«
    »Südstaaten?«
    »North Carolina.«
    »Ah.« Er lehnte sich zurück. »Ich bin aus New York.« Er sagte das so, wie andere Leute »schachmatt« sagen. Für ihn gehörte sie wohl nur einer untergeordneten Spezies an, war vermutlich Elvis-Fan, lebte in einem Trailer und ernährte sich von Fast Food und Cola. Die Geringschätzung war so verbreitet, so vorhersehbar, dass sie auch Einbildung gewesen sein könnte, doch ihre Wangen röteten sich trotzdem, und sie überspielte die Kränkung, indem sie einen kräftigen Schluck Wein trank.
    »Und was machen Sie beruflich?«, fragte er.
    »Ich bin Doktor –« Sie brach ab, als sie seine Reaktion sah. Seine Miene wurde förmlich, und sie entschied, dass sie ihn doch nicht so sympathisch fand, wie sie gedacht hatte. Jedenfalls würde sie nicht klarstellen, dass sie in Musikwissenschaft promoviert hatte. »Und Sie? Sie sehen aus wie der klassische Akademiker.«
    Er hob die Augenbrauen. »Inwiefern?«
    »Sie blinzeln, was bedeutet, dass Sie vermutlich Ihre Brille irgendwo liegen gelassen haben. Außerdem haben Sie Hornhaut am Mittelfinger und Tintenflecke am Daumen.« Er versuchte, sein Unbehagen mit einem amüsierten Blick zu kaschieren. Der Wein machte sie lockerer. »Aber Sie wirken nicht wie der Tweedjackentyp und Sie haben einen ziemlich kräftigen Bizeps, also verraten Sie mir, was für ein Akademiker stemmt Gewichte?«
    »Wenn Sie viel Zeit am Schreibtisch verbringen«, sagte er augenzwinkernd, »müssen Sie irgendwas machen, um das Blut wieder in Wallung zu bringen.« Sie fand die Bemerkung geschmacklos, aber ihr Herzschlag beschleunigte sich trotzdem. Sie trank noch einen Schluck.
    »Also, was führt Sie nach Saudi-Arabien?«, fragte sie.
    Er stützte die Ellbogen auf die Armlehnen, und sie beobachtete, wie er mit seinem Uhrarmband spielte, es in Viertelkreisen ums Handgelenk drehte. »Ich bin Professor für Nahoststudien. Mein Spezialgebiet sind Koranschriften. Ich mache eine Forschungsreise.«
    »Aha.« Der Alkohol stieg ihr zu Kopf, und ihr wurde leicht schwindelig. Irgendetwas im Fernseher zog ihren Blick auf sich, und sie sah, dass der Film, der gezeigt wurde, zensiert worden war. Frauenarme und -haare bewegten sich in verschwommenen grauen Flecken über den Bildschirm.
    »Und Sie?«, fragte er. »Was führt Sie nach Dschidda?«
    »Mein Mann hat dort einen sehr guten Job angeboten bekommen –«
    »Natürlich.« Er unterbrach sie mit einem Grinsen. »Hätte mich auch gewundert, wenn Sie sich allein dort aufhalten würden. Es gibt fast immer einen Ehemann.«
    Obwohl sie in den letzten vier Wochen keine Gelegenheit ausgelassen hatte, sich bei ihren Schwestern, ihrem Vater, ihren Nichten und überhaupt jedem, der zuhören wollte, erbittert über das unerträgliche Leben als rechtlose Frau in Saudi-Arabien zu beklagen, ärgerte sie die Bemerkung.
    »Ich finde es sehr tapfer von Ihnen«, fuhr er fort, »dass Sie Saudi-Arabien erdulden, damit Ihr Mann Karriere machen kann. Oder geht’s Ihnen nur ums Geld?«
    »Sowohl als auch«, sagte sie so schnippisch, wie sie konnte. Es stimmte nicht so ganz. Eric hatte den Job als Bodyguard – genauer gesagt, als »leitender Personenschutzspezialist« – angenommen, obwohl er beim Militär eigentlich eine Ausbildung als Ingenieur absolviert hatte. Er hatte gesagt, er wolle etwas anderes machen,

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