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Totenverse (German Edition)

Totenverse (German Edition)

Titel: Totenverse (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoë Ferraris
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öffentliche Auspeitschung. Ein junger Mann kniete auf dem Boden. Er war von der Taille aufwärts nackt, und zwei Uniformierte standen neben ihm, einer mit einem Bambusstock in der Hand und einem Koran unter dem Arm. Dadurch sollte verhindert werden, dass er mit dem Arm zum Schlagen zu hoch ausholte, aber das nützte wenig. Katya sah den Rücken des jungen Mannes, er glühte blutig und roh in der Mittagssonne, und bei dem Anblick stieg ihr augenblicklich Galle in die Kehle. Plötzlich sah sie Leila vor sich, das Gesicht bis zur Unkenntlichkeit verbrannt, wie sie verzweifelt mit ihrem Angreifer kämpfte und zu Boden geschlagen wurde, dann wieder und wieder geschlagen, bis ihr Körper eine schlaffe Masse Fleisch war.
    Durch das Meer von Köpfen hindurch sah Nayir nur kurz, was sich da abspielte. Aber er hörte es, hörte den jungen Mann um Gnade brüllen, hörte das brutale Klatschen des Stocks. Dann bemerkte er, wie Katya nach dem Lüftungsschlitz griff, und erkannte, dass sie verstört war. Er konzentrierte sich auf die Straße und schaffte es, aus dem Kreisverkehr herauszufahren.
    Seit sie in den Wagen gestiegen war, hatte ihr Duft ihn in eine betörende Wolke gehüllt. Er konnte sich nur mit Mühe beherrschen, nicht einfach anzuhalten und sie an sich zu ziehen. Und ein Ende der Qual war nicht in Sicht. Sie würden noch mindestens eine Stunde brauchen, und der Versuch, sich immun zu machen, indem er das Fenster einen Spalt öffnete, die Klimaanlage hochdrehte und lautlos um Vergebung betete, war ausgesprochen fruchtlos geblieben. Seit ihrer Verabredung am Vorabend hatte er sich wie verrückt auf das Wiedersehen mit ihr gefreut. Er hatte damit gerechnet, nervös zu sein. Aber jetzt, wo ihm ununterbrochen Bilder durch den Kopf gingen, wie er sie küsste, ihren Hals berührte, ihr Gesicht, ihre Hände, ihren Rücken streichelte, die Rundung ihrer Hüften, fühlte er sich von seinem Körper verraten und war wütend auf ihn, weil er ihm einen Nachmittag mit ihr verdarb, wütend auf sie, weil sie so gut roch.
    Er zwang sich zu einer Frage: »Habt ihr noch andere Verdächtige?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Die Tat wurde jedenfalls mit extremer Wut ausgeführt. Ich meine, er hat ihren Körper in fast jeder denkbaren Weise geschändet. Messerstiche, Schläge mit einem iqal und dann ihre Hände und das Gesicht … Mir will der Gedanke nicht aus dem Kopf, dass es jemand gewesen sein muss, der sie kannte, aber vielleicht bloß, weil ich fürchte, ein Fremder wird deutlich schwerer zu finden sein.«
    »Woher wisst ihr, dass es ein iqal war?«, fragte Nayir.
    »Die Quetschungen waren seltsam geformt, und ich hab Fasern aus den Wunden untersucht. Es waren Ziegenhaare.«
    Nayir fiel ein, dass er als Junge das Wort iqal mit dem Wort aql , Intelligenz, verwechselt und deswegen gedacht hatte, dass Männer deshalb Schnüre um den Kopf trugen, weil ihnen das schwarze Band irgendwie einen Heiligenschein der Weisheit verlieh. Erst vor Kurzem hatte er Onkel Samir von diesem Kindheitsirrtum erzählt. Und wie üblich hatte Samir keine Miene verzogen und nur nüchtern erklärt, dass die beiden Wörter tatsächlich dieselbe Wurzel hätten, was bedeutete, dass sie auf eine subtilere Weise verwandt waren: die Förderung von Intelligenz sei vergleichbar damit, einem Kamel Fußfesseln anzulegen, es gehe nämlich dabei um Konzentration und Zügelung.
    » Iqals sind nicht gerade selten«, sagte er, »aber ist es nicht ungewöhnlich, dass sie damit geschlagen wurde?«
    Katya schüttelte den Kopf. »Wir finden an vielen Leichen Spuren von Schlägen mit einem iqal . Er ist für die meisten Männer als Waffe am leichtesten und schnellsten greifbar.«
    »Noch ein Hinweis darauf, dass der Mörder im Affekt gehandelt hat«, sagte er.
    »Stimmt. Und das mit dem heißen Öl erkläre ich mir so: Leila war in einer Küche, hat vielleicht irgendwas gekocht. Der Kerl kommt rein, sie geraten in Streit, er wird gewalttätig und fängt an, sie mit seinem iqal zu schlagen. Vielleicht wehrt sie sich, und er wird richtig wütend, greift nach dem heißen Öl und schüttet es ihr ins Gesicht. Sie ist an diesem Punkt schon übel zugerichtet und verbrannt, aber sie kämpft weiter mit aller Kraft, denn er greift jetzt nach einem Messer und sticht auf ihre Beine ein. Vielleicht war das aber auch schon vor dem heißen Öl. Jedenfalls ist ihr das alles zugefügt worden, als sie noch lebte, und es ist rasch hintereinander erfolgt. Der Täter muss nicht nur stark gewesen

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