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Totenwache

Totenwache

Titel: Totenwache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Jansson
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Rentenalter sei, aber als Maria näher trat, sah sie, dass sein Gesicht ganz jung war. Möglicherweise war er im gleichen Alter wie Krister. Das war schwer zu sagen.
    »Wie geht so ein Brieftaubenwettkampf vor sich?«, wollte Krister wissen. Er war von Natur aus neugierig. Maria warf einen Blick auf die Uhr und dachte an die Schwiegermutter, die auf die Kinder aufpasste.
    »Morgen früh bringen wir sie nach Sandåstrand. Da draußen gibt es eine hübsche alte Steinbrücke. Gustav pflegt den Platz die Brücke der Wichtelmännchen zu nennen. Um sieben Uhr morgen früh werden die Tauben frei gelassen. Alle, die an dem Wettkampf teilnehmen, haben eine Kontrolluhr. Um sicherzugehen, dass alle Uhren gleichgehen, trifft man sich vor dem Wettkampf und synchronisiert sie. Ivan lässt die Brieftauben fliegen, und ich und Gustav sind hier zu Hause und nehmen sie entgegen, wenn sie angeflogen kommen. Im Durchschnitt fliegen sie mit einer Geschwindigkeit von 70 Kilometern in der Stunde. Aber der Geschwindigkeitsrekord liegt knapp unter 120. Dann, wenn Arrak angeflogen kommt …« Egil lächelte Gustav zu, der seiner Taube stolz über den Rücken strich.
    »Wenn Arrak angeflogen kommt, landet er auf dem Dach unter dem offenen Fenster zum Taubenschlag. Manchmal spaziert er da auf und ab, während die Kontrolluhr weitertickt. Dann fällt ihm endlich ein, dass er sich ziemlich nach seinem Weibchen sehnt, und dann kommt er herein, sodass wir ihn fangen und ihm den Gummiring abnehmen können, den er um den einen Fuß hat. Der Ring wird dann in die Kontrolluhr gesteckt, und die markiert die Zeit. Später, wenn wir nach Schluss des Wettkampfes gemeinsam die Uhren aufmachen, wird die Fluggeschwindigkeit und die Durchschnittszeit jeder einzelnen Taube ausgerechnet.«
    »Wie finden die nach Hause?« Maria sah die Begeisterung im Gesicht ihres Mannes und konnte sich vorstellen, dass er in seiner Phantasie bereits einen eigenen Taubenschlag entworfen hatte. Ihre einzige Hoffnung war, dass er nicht vorhatte, den ins Schlafzimmer einzubauen. Aber das konnte man nicht sicher vorhersagen. Sie selbst konnte nur mit Mühe das Harmonische an einer solchen Anordnung erkennen. Die ganze große Glaswand musste doch hin und wieder geputzt werden, oder nicht?
    »Eine Brieftaube kehrt immer zu dem Platz zurück, an dem sie geboren ist. Die Tauben navigieren mithilfe eines Magnetfeldes. In der Nähe ihres Taubenschlages können sie auch ihren Geruchssinn nutzen. Ältere erfahrene Tauben nehmen auch Landmarken zu Hilfe. Ich weiß, dass man Experimente gemacht hat, indem man ein kleines Eisenstück am Kopf der Taube befestigt hat. Dann verfehlen sie die Richtung. In der Gegend um Uppsala herum gibt es starke Magnetfelder. Dort haben es die Brieftauben schwer, nach Hause zu finden.« Egil Hägg begutachtete die letzte Taube und setzte sie in den Käfig.
    »So, ihr habt also ein Auto zu verkaufen. Wollen wir rausgehen und es uns ansehen, oder sollten wir erst Kaffee trinken? Gustav will Eierkuchen backen. Er ist ein Könner auf diesem Gebiet. Ich weiß nicht, wie ich ohne ihn auskommen sollte.«
    Gustav lächelte und seine fröhlich glänzenden Augen trafen sich sekundenlang mit den lachend blauen von Egil. Ivan, der noch kein Wort gesagt hatte, ja beinahe in der getönten Glasscheibe verschwunden war, räusperte sich:
    »Bereits vor zweitausend Jahren haben die Ägypter Brieftauben eingesetzt. Julius Cäsar, Herrscher im Römerreich, nutzte Brieftauben im Krieg, um festzustellen, wie der Stand der Dinge in der Schlacht gegen die Gallier oder andere Feinde war. Es ist also ein sehr alter Sport.«
    Krister ließ die Worte auf sich wirken. Ein Sport mit langer Geschichte, ein Sport, bei dem man nicht ins Schwitzen kam oder sich anstrengen musste – und trotzdem ein Sport. Nicht schlecht, sicher nicht schlecht. Hin und wieder hatte Krister sich gedrängt gefühlt, sich sportlich zu betätigen. Manchmal hatte er sich einen Ruck gegeben und versucht, die Erwartungen zu erfüllen, aber das war ja so grässlich anstrengend und schweißtreibend. Manchmal sogar schlicht schmerzhaft, wenn es vorbei war.
    »Wir haben sie im Zweiten Weltkrieg auch eingesetzt, habe ich gehört. Irgendwo habe ich gelesen, dass für die Widerstandsorganisationen kistenweise Tauben an Fallschirmen abgeworfen wurden, damit die Briten informiert werden konnten, was in den besetzten Gebieten geschah.« Ivan nickte überrascht. Maria hatte schlimmste Befürchtungen: »Wir haben sie im Zweiten

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