Totenwache
flüsterte fünf, sechs hässliche Wörter in den Hibiskus, den sie von der Schwiegermutter geschenkt bekommen hatte, ging dann aber gehorsam in die Küche und setzte Kaffee auf, während sie gleichzeitig Würstchen für die Kinder heiß machte.
»Ja, heutzutage macht man es sich mit dem Kochen leicht. Immer nur Fertiggerichte. Als meine Jungen klein waren, war das was anderes. Da gab es Schweinefleisch mit Zwiebelsoße, Béchamelmohrrüben und Kartoffeln.« Die geblümte Masse nickte beifällig.
»Du hast wirklich Recht mit dem, was du sagst«, stimmte Astrid, die kleine magere Frau mit dem spitzen Gesicht, zu.
»Krister hat sich heute verspätet, da müssen wir nehmen, was da ist, ich weiß nicht, was er zum Abendessen geplant hat.«
»Ja, er ist eben mit selbst gekochtem Essen aufgewachsen. Richtiger Hausmannskost! Für einen richtigen Mann gibt’s nichts Besseres.«
»Er kann richtig gut kochen, dein Sohn. Das hat er wohl von dir gelernt, Gudrun«, seufzte Maria, um dem Gerede ein Ende zu bereiten, und die Schwiegermutter schluckte den Köder mit Haut und Haaren. Plötzlich verschwanden die tadelnden Gesichtszüge, und die Frau leuchtete auf wie ein Vollmond. Sie drehte und wand sich genüsslich in ihrem Stuhl.
»Ach, das kann ich gar nicht glauben«, lachte sie geschmeichelt. Doch die blumige Freundin stimmte mit ein:
»Aber sicher. Du bist da sehr tüchtig, Gudrun. Dein Kardamomkuchen, der stellt alles in den Schatten.« Das erinnerte Gudrun daran, dass sie gewisse Gastgeberpflichten hatte, und sie ging an den Kühlschrank, um die Kaffeesahne zu holen.
»Wo hast du die Sahne, Maria?«
»Tut mir Leid, von uns nimmt keiner Sahne in den Kaffee, deshalb haben wir keine gekauft. Man kann ja nicht wissen, wann man unangemeldeten Besuch bekommt.«
»Was ist denn das hier?« Gudrun stand mit einem kleinen Glas in der Hand da und öffnete den Deckel.
»Sieht aus wie Tapetenkleister.« Maria wurde dunkelrot im Gesicht und nahm der Schwiegermutter das Glas aus der Hand.
»Das ist tatsächlich Tapetenkleister.«
»Warum steht Kristers Name auf dem Glas?«
»Wahrscheinlich hat er das Glas in seinem Lunchpaket gehabt, für Senf oder Ketchup«, log Maria.
»Ach ja, er ist so sparsam und ordentlich, der Krister. Für alles hat er Verwendung.« Gudrun lächelte ihrer Freundin zu.
Maria verschwand aus der Küche und schloss sich in die Toilette ein. Sie biss ins Handtuch, um nicht laut loszuschreien. Was ist Hausfriedensbruch? Was bedeutet Unverletzlichkeit des Privatlebens? So lauteten die Quizfragen heute Abend. Es kam ihr so vor, als ob die Kloakenratten die Weltherrschaft übernommen hatten! Die krochen in jede Ecke, quollen haufenweise aus dem Klo und nagten sich durch bis auf die blanken Knochen. Andererseits war sie doch ganz froh, dass Krister nicht schon nach Hause gekommen und gezwungen worden war, seiner Mutter und deren Anhang zu erklären, warum er eine Spermaprobe im Kühlschrank aufbewahrte. Irgendwie schien er sowieso bedrückt und traurig zu sein. Obwohl es seine Idee gewesen war, sich sterilisieren zu lassen, weil Maria die Pille nicht mehr vertrug. Er wollte nicht mal den Verband, der den ganzen Bauch bedeckte, abwickeln, um die Stiche von der Operation zu zeigen. Die letzten zwei Wochen hatte er auf seiner Seite mit dem Gesicht zur Wand geschlafen. Völlig unempfänglich für alle Annäherungsversuche. Maria überlegte bereits, ob sie ihre beste Freundin in Uppsala anrufen sollte. Karin arbeitete in der urologischen Abteilung, und sie konnte sie fragen, ob dieses Verhalten nach einer Sterilisation normal war. Eine Art von Depression. Man stelle sich vor, sie hätten danebengeschnitten und andere wichtige Funktionen verletzt. Die Studenten mussten ja bei jemandem üben, ehe sie fertige Ärzte waren.
»Hallo, Maria, bist du da drin?« Kristers fröhliche Stimme kam durch das Schlüsselloch. »Ach, Mädchen, habt ihr eure Sommerkleider angezogen und euch meinetwegen hübsch gemacht, oder wer ist der Glückliche?«, scherzte er und löste damit bei den Damen allgemeine Heiterkeit aus. Eine simple Stimmungskanone, aber effektiv.
»Er ist so charmant, dein Sohn«, kicherte Astrid.
Ein Fluchtweg weg von den Kloakenratten hatte sich aufgetan. Krister hatte einen Käufer für seine Rostlaube gefunden. Dann waren nur noch Mayonnaises fünf Autos abzutransportieren. Maria sollte in ihrem Volvo 740 hinterherfahren, um Krister wieder mit nach Hause zu bringen, wenn er den alten 240er übergeben hatte.
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