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Totenwache

Totenwache

Titel: Totenwache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Jansson
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Weltkrieg eingesetzt!« Krister hatte an keinem Zweiten Weltkrieg teilgenommen, daher konnte »wir« nur »wir Brieftaubenbesitzer« bedeuten, und das hörte sich beunruhigend an.

    Während sie im Schlaf- und Taubenzimmer der Familie Hägg gewesen waren, hatte der Himmel sich verdunkelt. Graue unfreundliche Wolken hatten sich wie Stahlwolle zusammengeballt und verdeckten den rötlichen Abschied der Abendsonne. Die Hitze waberte unter den Dachpfannen und wartete auf Entladung. Noch war es sehr warm. Maria fühlte sich aber wohl dabei, fast ein wenig glücklich. Für die Schrottkiste waren ihnen 2000 Kronen angeboten worden. 2000 Kronen konnten für eine Waschmaschine reichen, wenn man sie gebraucht auf eine Anzeige hin kaufte. Gleichzeitig konnte sie nicht verhindern, an das Geschirr zu denken, das sie von der Schwiegermutter geschenkt bekommen hatten, das 16000-Kronen-Geschirr, die hässlichen kleinen Goldtassen, und was man stattdessen für so viel Geld alles hätte kaufen können.
    Jetzt kam die Kaffeekanne auf den Tisch, nachdem die Teller von gestern, Zeitungen, Reklamezettel und ein Paar beinahe fertig gestopfte Strümpfe weggeräumt worden waren. Gustav rührte den Eierkuchenteig zu Beethovens C-Dur-Symphonie, die aus einem billigen Kassettenrecorder rauschte und knisterte. Mit dem Schneebesen dirigierte er ein unsichtbares Orchester. Die Musik lebte in seinem Körper von den Zehen bis hinauf zu den Haaren, die im Takt der Streicher hin und her flogen.
    »Allegretto«, lächelte er und nickte Egil süffisant zu.
    »Ja, schauderhaft! Der Kerl soll ja taub gewesen sein, sagt Ivan. Hab ich mir schon lange gedacht. Solchen Lärm komponiert niemand mit normalem Gehör. Aber Gustav findet, dass die Sachen schön sind, also die von diesem Beethoven.«
    Maria dachte an die Schwiegermutter und Astrid, die großblumige Heimsuchung. Vielleicht gingen die immer noch umher und sahen sich die Wollmäuse in den Ecken und die Spinnennetze an den Zimmerdecken an, oder sie hatten genug davon mitgekriegt und waren nach Hause gefahren. Krister fühlte sich in der Hägg’schen Küche unheimlich wohl und schien nicht verstehen zu wollen, als Maria diskret auf ihre Armbanduhr zeigte. Sollten hier Eierkuchen und Kaffee mit Schuss serviert werden, so war er jedenfalls kein Spielverderber. Das Kaffeetrinken wurde praktiziert, wie es die Tradition erforderte: Ein Zuckerstück auf dem Boden der Tasse wurde mit Kaffee übergossen, sodass es nicht mehr zu sehen war. Dann wurde Schnaps aus einem Kanister darüber gegossen, senkrecht in die Tasse hinein, bis das Zuckerstück wieder zum Vorschein kam. Über die Herkunft des vermutlich selbst gebrannten Alkohols wollte Maria lieber im Unklaren gelassen werden.
    »Wir hatten hier draußen Probleme mit einem Hühnerhabicht«, erzählte Egil. »Vier Jungtauben hat er im Frühjahr erwischt und eine meiner besten Zuchttauben jetzt im Mai. Aber dann ist er verschwunden. Ein Hühnerhabicht kann ganz leicht die Kurve kratzen«, sagte er mit einem verschmitzten Lächeln.
    »Du meinst, ihr habt ihn erledigt?«, fragte Krister. »Ich dachte, die ständen unter Naturschutz und man darf sie nicht schießen.«
    »Das haben wir auch nicht gemacht.« Egil begann zu lachen, aus vollem Hals zu lachen. Mit dem Mund voller Eierkuchen prustete er los, sodass alle am Tisch ihren redlichen Teil abbekamen. Eine alte Narbe, die über seine linke Wange lief, nahm eine dunkelrote Farbe an. »Jetzt wissen wir jedenfalls, dass die Auspuffrohre an Ivans Audi tadellos funktionieren«, brüllte er los. Ivan machte eine abwehrende Geste mit der Hand. Aber Egil übersah sie geflissentlich. Er wollte weitererzählen:
    »Ich habe den Schlingel mit einem Käscher im Taubenhaus gefangen, als er da herumflatterte. Dann habe ich den Habicht in einen Plastiksack gestopft und den an das Auspuffrohr von Ivans Auto gebunden. Aber das brachte nichts. Der Katalysator war viel zu effektiv. Bei meinem alten Saab war das anders …«
    »Jetzt reicht es aber«, unterbrach Ivan und fasste Egil an den Arm. Aber der ließ sich nicht bremsen.
    »Er starb, als ich ihm eine Herzmassage verpasste. Die haben ein schwaches Brustbein, die Hühnerhabichte.«
    Wie immer bei solchen Gelegenheiten, wenn Menschen darauf bestanden, in ihrer Ahnungslosigkeit ein Vergehen nach dem anderen zum Besten zu geben, wurde Maria wieder bewusst, dass es nicht ganz einfach war, Polizistin zu sein. Der Inhalt des kleinen Kanisters war niemals in der Nähe des

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