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Totenwache

Totenwache

Titel: Totenwache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Jansson
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Kristers fröhliche Stimme zu hören. Auf diese Stunde hatte sie sich gut vorbereitet. Sie mussten sich aussprechen. Irgendetwas stimmte nicht. Ein dumpfes Gefühl der Angst breitete sich in ihrem Bauch aus. Warum vermied er jeden Körperkontakt und warum war er ständig müde? War er nun ernsthaft krank, hatte er eine andere kennen gelernt, oder hatte die Operation ihn seelisch impotent gemacht? Sie mussten gemeinsam über das Problem reden. Gegen Impotenz gab es Therapien mit vorsichtigen Berührungen und Massagen, hatte Maria in einer Zeitung beim Zahnarzt gelesen. Wenn es daran lag, mussten sie das Problem zusammen bewältigen. Alles war besser als diese Unsicherheit.
    Misstrauisch betrachtete Krister die Kerzen auf dem Tisch, die Weinflasche und sein Lieblingsgericht: Schweinefilet mit rosa Pfeffersoße. Das kam ihm wie ein Köder am Haken vor. Geburtstage, Namenstage und Hochzeitstage gingen ihm durch den Kopf, ohne dass er sich einen Reim darauf machen konnte.
    »Was ist denn das?«, fragte er unglücklich.
    »Ich dachte, wir könnten es uns ein bisschen gemütlich und kuschelig machen. Die Kinder schlafen heute früh ein. Die haben einen anstrengenden Tag im Kindergarten hinter sich. Emil hat die ganze Woche über Tiger gespielt. Das Personal wird seine Phantasien langsam ein wenig leid. Die Neue, die immer Röcke und hohe Absätze trägt, hat mich gefragt, ob er zu Hause auch so fordernd ist. Er will offenbar nicht an gemeinsamen Aktivitäten teilnehmen, wenn er Tiger ist. Sie gibt sich Mühe, ihm zu verstehen zu geben, was Phantasie und was Wirklichkeit ist.«
    »Da hat sie wohl den Grundkurs verpasst. Kinder im Alter von vier und fünf Jahren leben in der Welt der Fabeln. Wahrscheinlich ist sie nur Praktikantin oder so was. Die alten Erfahrenen hätten gesagt: ›Komm jetzt mal her, Tiger, wir spielen das Namenspiel.‹« Krister lächelte erleichtert, jubelte beinahe innerlich. Über die Kinder wollte sie also ihm mit diskutieren. Emils Phantasien. Es war ein Gespräch unter Eltern.
    Ruhig und geschickt lenkte Maria das Gespräch über das Thema Kinder darauf, wie müde man als Eltern von Kleinkindern werden kann, und dann auf die eigentliche Frage:
    »Ich habe bemerkt, dass du abends sehr müde bist. Bedrückt dich irgendetwas Besonderes?« Krister sog die Luft durch die Zähne ein und errötete, zuerst nur ein wenig, dann aber auffallend. »Erzähl es mir. Ich werde es schon verkraften«, beruhigte Maria ihn und hielt sich unter dem Tischtuch an der Tischkante fest.
    »Du wirst mir niemals vergeben.« Der Satz blieb ihm beinahe im Halse stecken.
    »Teste mich einfach, ich kann eigentlich alles wegstecken.«
    »Du wirst bitterböse werden.«
    »Ja, werde ich vielleicht. Aber davon stirbst du nicht.«
    »Tja, also …«
    Weiter kam er nicht, denn die Haustür flog auf, und Mayonnaise stürmte in die Diele. Der große braune Keramiktopf flog mit einem Knall auf den Boden. Aus dem dunklen Bart kam eine Stimme, weich wie Motoröl.
    »Ich hab Licht gesehen«, zögerte er. Von dem zerbrochenen Keramiktopf nahm er keinerlei Notiz. Er war es wahrscheinlich so sehr gewohnt, dass die Dinge um ihn herum keinen dauerhaften Wert besaßen, dass er eine Mitteilung darüber als unwesentlich beiseite schob. Das gehörte ganz einfach zu dem allgemeinen Wirrwarr rund um seine Person.
    »Bei dir zu Hause brennt sicher auch Licht. Ich finde, du sitzt unter deiner eigenen Küchenlampe ebenso gut wie unter unserer«, fauchte Maria.
    »Als ich sah, dass ihr eine Flasche Wein aufgemacht und was Gutes aufgetischt hattet, fiel mir ein, dass ihr meinen letzten Kirschwein noch nicht probiert habt«, fuhr er unbeirrt fort und lächelte seinem Gastgeber gutmütig zu. »Hier, Krister. Der ist Spitze.« Mayonnaise überreichte mit einer großmütigen Geste eine Weinflasche der verrufenen Sorte, mit der er üblicherweise seine Umgebung beglückte, als eine Art von Eintrittskarte. Naturhefe, widerlich und mit einem ordentlichen Schuss, um den fehlenden Alkoholgehalt bei dem missglückten Gärungsprozess auszugleichen. Linda war von dem Krach in der Diele, als der Keramiktopf zu Boden fiel, aufgewacht und kam auf nackten Füßen, hellwach und mit dem Schnuller im Mund, angetapst.
    »Wie konntest du sehen, was wir auf dem Tisch hatten? Von hier aus kann man in deinem Küchenfenster keine Einzelheiten unterscheiden?«, fragte Maria und lehnte sich über den Tisch zum Fenster hin. »Hast du etwa dein Fernglas benutzt? Hast du wieder

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