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Totenwache

Totenwache

Titel: Totenwache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Jansson
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diejenigen, die JA gesagt haben. Als Einsatz schlage ich zehn Kronen vor, wie immer.«
    Maria zerbrach sich angestrengt den Kopf. Als sie nach Kronköping kam, hatte sie sich im Aufenthaltsraum ahnungslos auf Ragnarssons Platz am Fenster gesetzt. Er hatte sie nicht direkt gebeten, sich woanders hinzusetzen, aber er hatte sie lange und sichtlich gereizt angestarrt, und als sie später aufstand, um sich nach dem Essen einen Kaffee zu holen, hatte er ihren Teller beiseite geschoben, ganz weit weg auf die Ecke des Tisches, und sich auf ihren Platz gesetzt. Ragnarssons Schreibtisch war ebenfalls eine Analyse wert. Die Stifte standen in Habtachtstellung in ihrem Gestell. Der Tisch war meistens sauber, sogar staubfrei. Das Telefon und die Haussprechanlage standen in Reih und Glied, und die Unterlagen, die in sorgfältigen Stapeln dalagen, wagten nicht, sich zu bewegen. Sicher litt er an einer Art Symmetrieparanoia. Aber die eigentliche Frage war doch die nach seiner Aufmerksamkeit: Würde er den Kühlschrank überhaupt bemerken? Galt das Gesetz von der Symmetrie aller Dinge nur in der privaten Umgebung oder ganz allgemein? War ihm jemals aufgefallen, wenn irgendwer sich die Haare hatte schneiden lassen? Oder dass der Konferenzraum neue Vorhänge bekommen hatte, oder dass Arvidsson mit einer Gehhilfe kam, nachdem er sich den Fuß verstaucht hatte? Maria setzte zehn Kronen auf NEIN und ging dann in das Vernehmungszimmer, wo sie Tord Bränn antraf, den Fischer, der Mårten Norman gefunden hatte. Unten am Fischereihafen war keine Gelegenheit mehr gewesen, alle Angaben aufzunehmen, weil die Neugierigen und die Presse sich in einer dichten Traube um sie versammelt hatten.
    Tord Bränn war in sauberem Hemd und mit einem auffallend unmodernen Schlips erschienen. Das Jackett saß stramm in den Achselhöhlen und ließ sich vermutlich nicht zuknöpfen. Er selbst musste es wie eine zivilisierte Art von Zwangsjacke empfinden, seiner Miene nach zu schließen.
    »Dauert es lange, das hier?«, fragte er und fingerte nervös an der Mütze, unsicher, ob er sie aufbehalten oder abnehmen sollte.
    »Wollen Sie mir bitte erzählen, was heute passiert ist, so genau, wie Sie können.«
    »Ich bin heute Morgen um vier aufgestanden und habe mir zwei Eier in die Pfanne gehauen. Wir haben eigene Hühner. Manchmal muss man nach den Eiern suchen, aber heute Morgen …«
    »Ich meinte, von dem Moment an, als Sie den Toten gefunden haben«, beeilte sich Maria hinzuzufügen.
    »Ich ging mit dem Boot raus, um die Netze in der See auszulegen. Ich habe meinen eigenen Platz gleich diesseits von Kronholmen, direkt südlich von dem Aussichtsfelsen. Ich sah, wie irgendetwas in der Fahrrinne trieb, und wurde neugierig. Aber ich habe erst mal meine Netze ausgelegt, bevor ich hingerudert bin. Ich dachte, es wäre ein großer Plastiktank, der in den Wellen auf und ab schaukelte. Konnte eigentlich nichts anderes sein. Aber es war ein Toter.«
    »Ihnen kam der Mann bekannt vor?«
    »Ja, verflucht!« Tord schob den Unterkiefer vor und nickte zweimal. »Das war der Fixer, Mårten Norman.«
    »Wissen Sie etwas darüber, wie er ins Wasser gefallen sein kann? Haben Sie gesehen, ob er in der letzten Woche mit einem Boot hinausgefahren ist?«
    »Der, der ist wasserscheu, schlimmer als ’ne Katze. Der wäscht sich nicht mal sonntags, wie jeder anständige Mensch. Er hat kein Boot.«
    »Gab es jemanden, mit dem er zusammen war, mit dem er vielleicht trotzdem auf eine Bootstour rausgefahren ist?«
    »Der alte Jacob war wohl so nett und hat ihm hin und wieder was zu essen gegeben. Aber ich glaube nicht, dass irgendwer ihn mit hinaus aufs Wasser genommen hätte.«
    »Warum nicht?«
    »Weil man sich nicht auf ihn verlassen konnte. Es reicht schon, wenn man Wind und Wetter im Auge behalten muss. Man soll niemals was ins Boot nehmen, von dem man nicht weiß, ob man’s auch an Land rudern kann. Er war völlig unberechenbar. Manchmal war er tranig wie Teer, und manchmal tobte er in seinem Schuppen, dass man glauben konnte, ein ganzes Bataillon wäre da drin.«
    »Haben Sie ihn am Mittsommerwochenende gesehen?«
    »An Mittsommer war ich mit den Enkelkindern in Stockholm. Ist beinahe lästerlich, wenn man die Natur hier verlässt, gerade wenn sie am schönsten ist, aber die süßen Kleinen ließen sich nicht davon abbringen, sie wollten unbedingt in den Vergnügungspark Gröna Lund. Heutzutage hat man ja nichts mehr zu sagen.« Tord nahm die Mütze ab und trocknete sich die Stirn. Der

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