Totenwache
mitteilsamer. Wir sind als Freunde auseinander gegangen. Aber davor hat er mir erzählt, dass Mårten Geld von Clarence Haag erpresst hat. Vor gerade einer Woche 20000 Kronen und im vorigen Monat das Gleiche. Ich habe die Kontoauszüge von Clarence überprüft, und es stimmt. Ähnliche Auszahlungen hat es mehrere Jahre lang gegeben. Als ich die Daten mit den Zeiten verglich, in denen Mårten gesessen hat, fand ich heraus, dass die betreffenden Monate keine Zahlungen von Clarence aufwiesen.«
»Vielleicht gibt es da einen Zusammenhang. Was bringt einen etablierten Hausmakler dazu, große Geldbeträge an einen bekannten Rauschgiftsüchtigen zu zahlen? Was können wir uns für ein Motiv vorstellen: eigener Konsum? Rauschgifthandel? Erpressung? Ich schlage vor, das Personal der Goldenen Traube sieht sich mal das Foto von Mårten Norman an. Vielleicht können die ihn als den Mann mit der Mütze identifizieren.« Hartman blätterte in seinem Block zurück, und eine Weile herrschte Schweigen. »Nimmst du dich der Sache an, Arvidsson?« Der Rothaarige nickte. »Nach der Obduktion des Ertrunkenen müssen wir entscheiden, wie wir weiter vorgehen. Im Hinblick auf die Zahlungen von Clarence Haag kann ein Verbrechen nicht mehr ausgeschlossen werden.«
»Ich finde, wir sollten nochmal mit Odd Molin reden. Er erinnert sich vielleicht an Mårten Norman und weiß etwas über die Geschäfte von Clarence. Schließlich sind sie doch Kompagnons«, schlug Arvidsson vor.
»Wir müssen auch die Fischer vernehmen, die im Kronviken fischen. Ich kann mir vorstellen, dass die untereinander recht genau auf ihre Boote achten und sich gegenseitig nicht aus den Augen lassen«, regte Hartman an.
»Es gibt einen alten Mann, Jacob Enman, der sitzt normalerweise den ganzen Sommer über vor seinem Schuppen und flickt Netze. Da hat er die volle Übersicht sowohl über den Fischereihafen als auch den Sportboothafen. Als ich zuletzt vorbeigegangen bin, lag er über seinem Küchentisch und schlief. Sicher hatte er genug von dem Unwetter … Er lag über den Tisch gebeugt und schlief … NEIN ! Hartman, ich bin mehrmals vorbeigegangen, und er lag immer auf die gleiche Art und Weise da. Er lag über dem Tisch mit dem Kopf auf den Armen. Da stimmt vielleicht irgendetwas nicht«, sagte Maria und sprang vom Tisch auf.
Wern und Arvidsson nahmen den weißen Ford hinunter zum Fischereihafen. Alle Streifenwagen waren unterwegs, zwei in Kronköping, und der dritte jagte am Schießplatz einen Autofahrer, der wahrscheinlich betrunken war. Kein Wunder, dass Alkoholdelikte im Verkehr ständig zunahmen, wenn in jedem zweiten Haus schwarz gebrannt wurde. Einige Verordnungen waren unter der Bevölkerung in den dunklen Wäldern und den einsamen Küsteregionen des Nordens auf wenig Verständnis gestoßen.
Der Wind drückte gegen das Auto, als sie in die offene Landschaft hinauskamen. Gelbe Rapsfelder und blauer Flachs sausten vorbei und wechselten sich mit Hochwald und Weideflächen ab. Maria konnte es gar nicht schnell genug gehen. Ausnahmsweise freute sie sich, dass Arvidsson fuhr und sich an die vorgeschriebene Geschwindigkeit hielt. Sie selbst hätte das Gaspedal voll durchgetreten. Ansonsten konnte sie sich manchmal aufregen, weil sich die männlichen Kollegen immer ganz selbstverständlich ans Lenkrad setzten.
Rosmaries Kräutergarten mit seinen rosa Gebäuden war schon von weitem zu sehen. Ehe sie an der Gärtnerei vorbei waren, stellte Maria fest, dass der Parkplatz halb voll war.
Als sie sich der grauen Reihe der Fischerschuppen näherten, begann der Regen in großen schweren Tropfen auf die Windschutzscheibe zu fallen. Weiße Schaumkronen trieben auf den Wellen, die dunkelgrau über die Steinpier schwappten. Fischerboote schaukelten wie Wippen in der rauen See auf und ab. Als Arvidsson aus dem Auto stieg, hörte man trotz des scharfen Windes die knarrenden Geräusche der Boote, die aneinander scheuerten. Es stürmte jetzt richtig. Maria musste die Tür an ihrer Seite regelrecht aufstemmen, als ob der Wind sie daran hindern wollte, das Unvermeidliche ansehen zu müssen. Er zerrte an ihren Kleidern. Fegte ihre Haare vor das Gesicht, sodass sie nichts mehr sehen konnte. Hart ballte sie die Hand in der Hosentasche. Was hätte sie darum gegeben, dass ihre Vermutung falsch war, dass er am Leben war, der alte Jacob. Obwohl, wenn man die neunzig überschritten hat, kann es ja jederzeit so weit sein. Irgendwann ist jedes Leben zu Ende. An seinem eigenen Küchentisch
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