Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Totenwache

Totenwache

Titel: Totenwache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Jansson
Vom Netzwerk:
Wie heißt Ihr Mann mit Nachnamen?«
    »Haag. Er wollte gestern Abend zu einem Geschäftsessen fahren. Zwanzig Minuten nach sieben ist er mit dem Auto in die Stadt gefahren. Danach habe ich ihn nicht mehr gesehen.« Rosmarie wich ihrem Blick aus und biss sich auf die Unterlippe.
    Es erstaunte Maria, dass die Frau eine so tiefe Stimme hatte. Sicher und wohlartikuliert, wie die Stimme einer ausgebildeten Fernsehreporterin, füllte sie den Raum bis in den letzten Winkel, ohne die Lautstärke eines normalen Gesprächs zu übersteigen. Mit solcher Stimme kann man alles behaupten und es glaubwürdig klingen lassen, überlegte Maria mit einem Anflug von Eifersucht. Wenn der feuchte Handschlag und das hastige, beinahe nervöse Lächeln nicht gewesen wären, hätte die Frau nach außen hin so unberührt vom Verschwinden ihres Mannes wirken können, als ob es sich um einen entflogenen Kanarienvogel handelte. Obwohl sie Himberg dreimal angerufen hatte! Eigenartig. Die Worte und die Körpersprache der Frau stimmten nicht mit ihrem Verhalten überein. Unter der ruhigen Oberfläche verbarg sich eine große Unsicherheit.
    »Was ist Ihr Mann von Beruf?«
    »Clarence ist Immobilienmakler. Er hat eine eigene Firma: ›Haags Immobilien‹, falls Sie davon schon mal gehört haben? Er wollte sich mit einem Kunden in der Goldenen Traube treffen. Es ging um eine wichtige Investition, hat er gesagt. Ich habe ein Foto mitgebracht.« Rosmarie grub in der zum Kleid passenden Handtasche. Die Hand zitterte leicht, als sie Maria die Fotografie zeigte. Maria fielen die Fingernägel auf, unter denen Erde war, und sie fand es sympathisch, dass die perfekte Fassade einen Sprung bekam. Willkommen im Kreis der Maulwürfe. Der rothaarige Mann auf dem Bild lächelte ihnen entgegen. Ein halb vergoldeter Zahn gab dem Gesicht ein leicht robustes Aussehen. Ein interessanter Kontrast zu dem eleganten braun gestreiften Anzug und der Brille mit dem goldenen Gestell. »Diesen Anzug trug er gestern Abend«, ergänzte Rosmarie.
    »Hat er gesagt, wann er wieder zu Hause sein wollte?«
    »Nein. Aber um Mitternacht bin ich unruhig geworden und habe ein Taxi runter zur Goldenen Traube genommen. Die hatten bereits zwei Stunden vorher zugemacht. Alles war verschlossen und dunkel. Ich habe herumtelefoniert, ob eins der anderen Lokale am späten Sonntagabend noch aufhatte. Aber das Park-Restaurant schloss an diesem Abend um elf, und dort war er nicht gewesen. Vielleicht ist er mit dem Kunden zu ihm nach Hause gefahren? Er wollte sich eindeutig mit einem Mann treffen! Das hat er gesagt«, betonte Rosmarie nachdrücklich.
    »Ich habe natürlich in seinem Kalender nachgesehen. Dort stand kein Name. Nur ›Goldene Traube 19 Uhr‹. Weder sein Kompagnon noch seine Sekretärin wissen, mit wem er sich treffen wollte. Die Goldene Traube macht heute nicht vor elf auf, und ich habe den Besitzer zu Hause nicht erreichen können. Es scheint so, als ob er den Telefonstecker herausgezogen hat. Sie müssen mir helfen.« Die runden Augen wurden noch runder und nun auch feucht. Mit den Tränen wurde das Bild der Frau klarer.
    »Wir versuchen es nochmal am Telefon. Wenn er sich nicht meldet, schlage ich vor, dass wir zu ihm nach Hause fahren. Wir können im Auto weitersprechen.« Ein Lächeln erhellte Rosmaries Gesicht. Und schlagartig hatte sich ihre Erscheinung verändert. Mit ihren Lachgrübchen und den Sommersprossen sah sie aus wie ein kleines Schulmädchen.

    Der Eigentümer der Goldenen Traube wohnte in einem der herrschaftlichen Häuser am Fluss nicht weit vom Stadtpark entfernt, die aus der Zeit der Jahrhundertwende stammten. Als sie über die Brücke fuhren, konnten sie kurz die riesige Terrasse mit eigenem Anleger und Segelboot sehen. Die große gepflegte Rasenfläche lag in der Sonne. Die Pergola war von zahlreichen Blumenkübeln und Kletterrosen eingerahmt und setzte sich mit einem weißen Zaun bis zum eingefriedeten Pool fort.
    »Hat Ihr Mann besondere Kennzeichen, einen Leberfleck, Muttermale oder etwas anderes Spezielles?«
    »Nein, Muttermale hat er nicht. Als Erstes wird man wohl auf den Goldzahn aufmerksam.«
    »Wie ist er dazu gekommen?«
    »Das war wohl eine Schlägerei, aber es ist lange her. Er hat sich den Zahn aus Gold ausgesucht, fand wohl, dass das chic aussieht.«
    »Was könnte Ihrer Meinung nach geschehen sein? Wo kann er hin sein? Haben Sie schon darüber nachgedacht?«
    »Wenn ich das wüsste, wäre ich nicht hier«, antwortete Rosmarie mit ruhiger und

Weitere Kostenlose Bücher