Totenwall
Duvenstedt zu suchen gehabt?
Wie er es auch drehte, es passte nicht zusammen. Zuerst hatte er an eine Verwechslung geglaubt, aber ihr Blick hatte ihm ganz eindeutig zu verstehen gegeben, dass es kein Irrtum war. Sie hatte ihn auch erkannt und ihn sogar angelächelt. Oder hatte er sich das eingebildet? Nein, sie hatte die Augenbrauen mehrfach leicht gelupft, und ihre Mundwinkel hatten ein schmallippiges Lächeln angedeutet, das sich auf seine Mitwisserschaft beziehen musste. Im allgemeinen Durcheinander hatte er sie aus den Augen verloren, und schon war sie wie vom Erdboden verschluckt gewesen. Er hatte nicht einmal mehr eine Gelegenheit gefunden, sich nach ihr erkundigen zu können.
«Verraten Sie mir, was wir eigentlich suchen?» Heinrich Andresen war zur Tür hereingekommen und legte die letzten fehlenden Katasterblätter auf den Tisch.
«Eine Frau, die sich unter dem Namen Gräfin Olga prostituiert», entfuhr es Sören mit einem Seufzer.
Der Polizeihauptmann blickte ihn verständnislos an.
«Fragen Sie Ihre Kollegen von der Sitte, ob ihnen der Name bekannt ist. Ich vermute jedoch, dass sie nicht aktenkundig ist. Zumindest nicht unter diesem Namen.»
«Wie kommen Sie jetzt darauf? Was hat das mit den Grundbüchern und dem Kataster zu tun?»
«Der Name fiel mir gerade ein, und Sie wollten doch über jedes noch so kleine Detail unterrichtet werden. Sie ist mir in besagter Nacht im Silbersack begegnet und wurde mir unter dem Namen Gräfin Olga vorgestellt.» Natürlich gab es keinen Zusammenhang mit dem Raubmord, aber sie ging ihm einfach nicht aus dem Kopf, und er wollte unbedingt ihre wahre Identität erfahren.
«Es gibt bei der Sitte einen hübschen Katalog mit Photographien aller Registrierten. Können Sie sie beschreiben?»
«Mitte dreißig, vielleicht vierzig, schlank, schwarze Haare, sehr dunkle Augen, lasziver Blick, gepflegte Erscheinung, elegante Kleidung.»
«Klingt nicht gerade nach einem Bordsteinhüpfer.» Andresen grinste schlüpfrig. «Einen Blick sollten wir dennoch riskieren. Und wonach suchen wir
hier
, wenn ich fragen darf?»
«Wir suchen das, was Ihre Leute übersehen haben», antwortete Sören und markierte die betreffenden Parzellen auf dem Plan. «Diese hier liegen zum Beispiel in relativer Nähe zueinander. Aber das kann Zufall sein.»
«Sie haben sich völlig in die Sache mit den Schuldverschreibungen verbissen. Wir haben die Leute überprüft. Alles harmlose Bürger.»
Sören schüttelte den Kopf. «Es geht mir zunächst einmal um das, was die Leute mit dem geliehenen Geld gemacht haben.»
«Es diente zur Finanzierung von Grundstückskäufen.»
«Das weiß ich. Aber mir ist zu Ohren gekommen, dass das Bankhaus Goldmann seinen Kunden offenbar gern zu hochriskanten Spekulationskäufen geraten hat, die einen unanständig hohen Gewinn versprachen. Und ich suche nach einem Anhaltspunkt.»
«Woher haben Sie diese Information?» Andresens Augen funkelten neugierig.
«Von jemandem, der nicht möchte, dass sein Name bekannt wird.»
«Einer Ihrer Informanten …»
Sören ging nicht weiter darauf ein. «Ich vermute, dass bestimmte Geschäfte von Elias Goldmann im Namen seiner Bank getätigt wurden, die möglicherweise einen … nennen wir es inoffiziellen Charakter hatten. Haben Sie geprüft, ob die Schuldverschreibungen in den Büchern des Bankhauses auftauchen?»
Andresen sah ihn ungläubig an.
«Nein? Dann sollten Sie das schleunigst nachholen. Genauso sollten Sie überprüfen, ob die Namen der Schuldner im Zusammenhang mit Buchungen im Zahlungsverkehr der Bank existieren. Ich mache mich derweil auf den Weg und werde mir diese Immobilien anschauen.» Sören faltete den Plan zusammen. «Und noch etwas. Wenn Sie sich nach dieser Gräfin Olga erkundigen … Ich habe da noch einen Namen, der interessant sein könnte: Adolf Künkel. Über die Einwohnerverzeichnisse habe ich nichts herausfinden können, aber vielleicht ist er ja aktenkundig.»
«Was ist mit ihm?»
Sören griff nach Jacke und Brille. «Sagen wir mal so: Es besteht dringender Tatverdacht in Sachen Goldmann.»
«Raub oder Mord?» Andresens Stirn legte sich in Falten.
«Letzteres. Und fragen Sie mich jetzt nicht, woher ich den Namen habe.»
«Wir hatten eine Zusammenarbeit verabredet», beschwerte sich der Polizeihauptmann.
«Und genau dabei wird es bleiben, auch wenn ich inzwischen einer übergeordneten Kontrollinstanz angehöre. Ein wenig sollten Sie mir vertrauen.» Sören lächelte ihn freundlich an. «Ich
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