Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Totenwall

Titel: Totenwall
Autoren: Boris Meyn
Vom Netzwerk:
Platten entwickelt wurden. Auf hölzernen Gestellen standen mehrere Schalen, die Entwicklungsbäder, darunter Kanister und unterschiedliche Gefäße mit allen möglichen Chemikalien. Seitlich an der Decke waren Schnüre gespannt, an denen Bilder wie Wäschestücke an einer Leine hingen.
    Holländer pfiff durch die Zähne. «Donnerlittchen», meinte er beim Betrachten der Photographien. «Das is ma was für die Kollegen vonna Sitte. Die sind ja alle bannig nackt.»
    «Und nicht nur das …» Andresen hielt ihm ein Bild hin, auf dem zwei Modelle in eindeutiger Position kopulierten.
    «Sieht aber so aus, als wenn die das freiwillig machen», meinte Sören.
    «Was es für Perverse gibt», zischte Holländer angewidert.
    Die Tür auf der anderen Seite führte in einen Raum, der mit Stellwänden und Paravents in mehrere Bereiche aufgeteilt war. Von der Decke hingen Tücher bis auf den Boden, davor waren aus Brettern provisorische Stellagen gezimmert, deren Sinn sich auf den ersten Blick nicht erschloss, die aber so etwas wie die Bühnen des Photographen darstellen mussten. Im Vordergrund standen mehrere Stative, auf denen große Cameras montiert waren. In der einen Ecke gab es einen Kleiderfundus mit allen möglichen Kostümen und Stoffen. Im Raum hing ein beißend traniger Geruch.
    «Wenn das hier eine Gerberei war, dann steckt der Gestank in den Mauern. Das geht nie wieder raus», sagte Andresen und schüttelte sich.
    Sören inspizierte derweil die Räumlichkeiten. Hinter den Vorhängen gab es einen Bereich, wo die Photographien lagerten. Die großen Abzüge standen auf Staffeleien und hingen an den Wänden. Davor mehrere Plankommoden und ein Arbeitstisch mit Schneidegeräten und Passepartouts. Er schluckte. Die Bilder waren mehr als eindeutig. Überall nacktes Fleisch, gar nicht erotisch, vielmehr die schamlose Darstellung sexueller Handlungen und kopulierender Paare. Aufnahmen, die all das zeigten, was für gewöhnlich im Verborgenen, wenn auch nicht immer im Dunkeln praktiziert wurde. In den Schubladen der Kommode wimmelte es von Bildern von jungen Frauen. Heidi war schnell ausgemacht. Sören wusste nicht, ob er die Bilder betrachten oder besser wegschauen sollte.
    «Das glaub ich einfach nicht», sagte Holländer kopfschüttelnd. «Die sind alle am Ficken und lassen sich dabei photographieren. Das gibt es doch gar nicht. Wer macht denn so was? Das ist doch pervers.»
    Andresen pflichtete ihm bei. «Ich denke, wir sollten die Spurensicherung herschicken.»
    «Schauen Sie mal, hier!» Sören deutete auf eine Photographie, die eine vornübergebeugte Frau zeigte, der sich von hinten ein Mann mit erigiertem Glied näherte. Er trug eine Teufelsmaske, und sie blickte den Betrachter an. Es war ohne Frage Gräfin Rischtschestova.
    «Das glaube ich nicht», stammelte Andresen.
    «Doch, doch … Hier gibt es eine ganze Schublade mit Bildern von ihr.» Sören legte einen Packen von Abzügen auf den Tisch. «Und das hier …» Ihm stockte der Atem, nachdem er den Mann auf dem Bild erkannt hatte. Der Kerl, dessen Penis halb im Mund der Gräfin verschwand, war der wirre Dichter, den sie bei den Sonnenanbetern in Duvenstedt getroffen hatten. Kein Zweifel, er war es. Auch von ihm gab es Bilder in Hülle und Fülle. Jetzt fiel es Sören wieder ein. Der Name. Warum war er nur nicht darauf gekommen. Er hatte sich ihnen als Arno Oechslin vorgestellt.
    «Volltreffer», meinte Andresen. «Den Kerl kenne ich. Der arbeitet als Lorenfahrer auf der Baustelle der Ringbahn. Wir hatten ja mehrere Bauleute wegen der Leichenfunde befragt, das ist einer von ihnen. Ich erinnere mich genau.»
    «Wurde seine Adresse aufgenommen?»
    «Nein, aber das bekomme ich schnell heraus.»
    «Er heißt Arno Oechslin», sagte Sören.
    Andresen blickte ihn ungläubig an.

[zur Inhaltsübersicht]
    Kapitel 15
    L iane war aufgetaucht. Unversehrt. Das war das Wichtigste. Wo und wann, war Sören egal. Er nahm es nur am Rande zur Kenntnis. Tilda hatte ihm sofort von Davids Anruf erzählt, davon, dass Liane pünktlich zu ihrem letzten Ballonaufstieg erschienen war, dass David sie dort erwartet hatte und sie die Vorstellung abgebrochen hatte, nachdem sie von Heidis Tod erfahren hatte. Und davon, dass sie nie wieder nach Duvenstedt fahren würde und sie sich auf ihre Zeit in Lokstedt konzentrieren wolle. David würde sie nicht mehr aus den Augen lassen … All das hatte Sören nur noch zur Hälfte mitbekommen. Völlig übermüdet waren ihm nach wenigen Minuten halbwegs
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher