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Totenzimmer: Thriller (German Edition)

Totenzimmer: Thriller (German Edition)

Titel: Totenzimmer: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Staun
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stand RADIO DIABLO, dann dröhnte
Stupid Girl
in meinen Ohren und erinnerte mich daran, was ich war:
stupid girl, stupid girl, stupid girl, ich, ich, ich,
das alles traf auf mich so voll und ganz zu. Ich war es, die die Musik eingeschaltet hatte, die Musik, die auch dann noch weiterspielen würde, wenn ich selbst bereits tot inmeinem zerschmetterten Auto lag. Das alles hatte ich nur mir zu verdanken.
Stupid girl: Bist du erst tot, geht alles weiter, als wäre nichts geschehen. Gewöhn dich daran
.
    Schalte doch dieses Radio aus!
Stattdessen drehte ich es lauter.
I’m so glad I’ll never fit in
, brüllte Shirley Manson. Auch nach ihrer Stimmbandoperation hatte ihre Stimme nichts von der vertrauten Härte eingebüßt. Ich brauchte Härte, um wach zu werden, brauchte harte Musik, die mich hin und her warf, damit ich nicht atrophierte. Und auch ich selbst musste hin und wieder hart angepackt werden, um nicht schlafend durch das Leben zu rennen. Ich sah auf die Uhr. Das Navi hatte den Ankunftszeitpunkt bereits um sechs Minuten nach vorne korrigiert. Nichts half so gut gegen Nervosität wie leere Straßen und hohe Oktanzahlen. Dabei waren es gar nicht die Toten, die mich nervös machten, sondern eher die Lebenden, vor allem ihr Gerede.
    Der Pfeil auf dem Display des Navis knickte nach rechts ab. Ich musste wieder auf schmale Straßen und brauchte Führung, weshalb ich die Musik ausschaltete.
    Am Horizont waren mittlerweile längliche hellblaue und hellrote Streifen zu erkennen, und sehr bald würde ich wieder sehen können, dass Südfünen tatsächlich so schön war, wie alle sagten. Ich war seit dem letzten Jahr nicht mehr so weit südlich gewesen. Damals war es Faaborg gewesen, eine Landschaft voller Schlösser, Wallgräben und Bäche. Und seltsam zahmer Gänse, von denen ich noch immer träumte.
    Das Einzige, was ich jetzt sah, waren Einfamilienhäuser, Hecken und Bodenschwellen. Ich war mitten auf dem Land. Wie merkwürdig ist doch die Welt, in der wir leben.
    Als ich in den Nordre Søvej einbog, sah ich die vertrauten Autos und parkte hinter dem blauen Kastenwagen der Kriminaltechnik. Die angesprochenen Blumenkübel standen mitten auf der Straße. Ich überprüfte die Zeit und rechnete schnell aus, dass ich die vomNavi errechnete Zeit um 21,453 Prozent unterboten hatte, aber das Spiel war zu leicht gewesen, um damit brillieren zu können, schließlich war mir auf der ganzen Fahrt kein einziges Auto begegnet.
    Ich fischte ein Päckchen Cecil aus dem Handschuhfach, starrte es abwesend an und steckte es wieder in die Tasche. Es war fast schon beunruhigend windstill. Und finster. Nur die Vögel waren bereits wach und machten sich auf ihre emsige, lautstarke Weise bemerkbar, die mich immer denken ließ, dass sie irgendetwas Wichtiges zu verkünden hatten.
    Ich dachte an die Asservierung, als ich mir den Schutzanzug aus der Tüte im Kofferraum holte. Zum jetzigen Zeitpunkt hatten die Techniker unter anderem Faserproben vorgenommen und dafür Teile der Leiche abgeklebt, was mir, als ich zum ersten Mal von dieser Technik las, höchst seltsam vorgekommen war. Auch das Wort DNA-Fingerprinting machte mir damals, vor Ewigkeiten, als ich mich noch nicht an die Branche gewöhnt hatte, Schwierigkeiten. Ich musste dabei immer an Handtücher mit hässlichen Flecken denken. Wieder sah ich sie vor mir: Handtücher auf einer Wäscheleine, voller dunkelroter Flecken, die nicht wieder herauszuwaschen waren.
    Ich sah mich um: Die Silhouetten der Einfamilienhäuser, Hecken und Bäume zeichneten sich undeutlich vor dem dunkelgrauen Himmel ab. Dieses Fleckchen Erde schlief ebenso selig, menschenleer und lautlos wie Odense. Ich hätte wirklich eine Tasse Kaffee trinken sollen, vielleicht sogar zwei, bevor ich das Haus verlassen hatte. Aber es war schließlich so eilig, die Leiche lag ja in einer unbequemen Stellung.
    Wie immer verspürte ich den beinahe unwiderstehlichen Drang, den Schutzanzug schon hier anzuziehen, außer Sichtweite all der Augen, die auf mich warteten. Wenn ich es vermeiden konnte, mich auf einem Polizisten abzustützen, während ich, den Po nach hinten gestreckt, versuchte, meine Beine in die Löcher zu bekommen, wäre mein Leben schon um Dimensionen angenehmer gewesen. Aber dasging nicht, schließlich wusste ich nicht, mit was ich auf dem Weg zur Leiche in Berührung kommen und dadurch unweigerlich den Tatort verunreinigen könnte. Ich sah zu ein paar krächzenden Vögeln empor, die auf einem Baum saßen. Vogelscheiße,

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