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Totenzimmer: Thriller (German Edition)

Totenzimmer: Thriller (German Edition)

Titel: Totenzimmer: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Staun
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Obduktionstisches, beugte sich über Emilies Kopf und deutete auf eine schwach rot verfärbte, leicht gepunktete Stelle auf einer ihrer Wangen.
    »Stimmt …« Ich drehte mich zu Poul um und sagte: »Schreiben Sie einfach
Rotes Material von Hals, Armen und Gesicht
, und tupfen Sie auch die Stelle im Gesicht ab.«
    Ich blieb stehen und musterte noch einmal die rötliche Verfärbung.
    »Ich werde eine Sektion des Halses vornehmen«, sagte ich. Auch wenn ich am Hals nur leichte Spuren von Gewalteinwirkung feststellen konnte, wollte ich mir das auf jeden Fall auch von innen ansehen. Die rote Druckstelle konnte eigentlich nichts anderes sein als der Abdruck eines Noppenhandschuhs. Als ich nochmals die rote Stelle am Arm untersuchte, bemerkte ich, dass Poul neben mir stand. Ich drehte mich um und packte ihn – sicher etwas zu fest – an den Oberarmen. Er zuckte heftig zusammen. »Entschuldigung«, sagte ich, »aber das könnte der Abdruck von jemandem sein, der sie
so
an den Oberarmen gepackt hat. Bevor sie starb.« Poul nickte steif und lehnte sich zurück, weil ich noch immer seine Arme umklammerte. Ich ließ ihn los.
    Im gleichen Augenblick flog die Tür auf, und mein Chef und Karoly kamen herein. Karoly trug Uniform. Die Luft vibrierte förmlich vor Autorität und Besitzansprüchen, aber Poul ging unbeeindruckt auf sie zu und versorgte sie mit Hauben und Masken.
    »Ich begleite die Obduktion ab jetzt«, sagte Bonde Madsen und schien nicht darüber diskutieren zu wollen.
    »Warum denn das?«, fragte ich kriegerisch und richtete mich auf.
    Bonde Madsen sah kurz zu Karoly und richtete seinen Blick dann wieder auf mich.
    »Wie ich gehört habe, wirken Sie heute ausgesprochen müde und schlecht gelaunt.«
    »Das wären Sie auch, wenn man Sie mitten in der Nacht geweckt hätte«, antwortete ich. »Wenn man Sie nachts aus dem Bett klingelt, sind Sie doch immer so benommen, dass Sie nochmals zurückrufen müssen, weil Sie alles wieder vergessen haben, oder?«
    Eine eisige Stille senkte sich über den Obduktionssaal, und vor meinen Augen flimmerte es. Bonde Madsen starrte mich kalt an, ohne zu blinzeln, und ich hörte, wie Poul hinter mir nervös an seinen Wattetupfern herumfummelte. Dann aber riss er sich zusammen und begann damit, die Leiche zu waschen.
    »Ich habe dem verantwortlichen Rechtsmediziner gesagt, dass Sie heute einen recht unausgeglichenen Eindruck auf mich gemacht haben«, sagte Karoly und sah mich etwas verlegen an. »Und dass Ihre Reaktion bei mir den Verdacht geweckt hat, Sie hätten das Mädchen persönlich gekannt.«
    »Das ist eine wichtige Obduktion«, sagte Bonde Madsen. »Da darf nichts schieflaufen.«
    »Entschuldigung, aber das ist für mich jetzt vollkommen inakzeptabel«, platzte ich heraus, außerstande, meine Wut zu kontrollieren, und baute mich direkt vor den beiden auf. Ich starrte meinem Chef in die Augen und ignorierte Karoly ganz bewusst. »Wenn Sie fertig sind mit Ihren Belehrungen, würde ich gerne mit meiner Arbeit anfangen. Wie Sie selber gesagt haben: Das hier ist eine wichtige Obduktion, und deshalb wüsste ich es wirklich zu schätzen, wenn Sie beide jetzt gehen könnten«, sagte ich und war mir der Gefahr, sogleich in Madsens Büro zitiert zu werden und eine Abmahnung zu kassieren, voll bewusst.
    Bonde Madsen allerdings schien vollkommen unbeeindruckt zu sein. »Sind Sie sich sicher, dass Sie die Tote nicht kennen?«, fragte er nur und bezog sich damit auf meine in Frage gestellte Unbefangenheit. Wie oft hatte er sein Credo vorgebracht, dass ein Arzt »unbefangen« sein musste – vollkommen neutral, was den Ausgang eines Falls anging. Die Rolle des Rechtsmediziners als objektiver Chronist eines Übergriffs war ein Thema, über das er nie müde wurde zu referieren oder zu schreiben, auch wenn ich den Verdacht nicht loswurde, dass er mit seiner Flut an Publikationen nur sicherstellen wollte, weiterhin im Licht der Öffentlichkeit zu stehen.
Aufmerksamkeit
erregen, um jeden Preis!
Wahrscheinlich würde er sich für eine Doppelseite in irgendeiner Schmuddelzeitung sogar nackt auf dem Obduktionstisch fotografieren lassen.
    »Ja, ich bin mir absolut sicher, dass ich sie nicht kenne«, sagte ich, drehte mich um und sah dem kleinen John in die Augen. Fast spürte ich, wie sich Madsens und Karolys Blicke in meinen Rücken bohrten. »Wären Sie jetzt wohl so freundlich zu gehen?« Ich war müde, mein Tonfall klang flehend.
    »Ja, aber Karoly darf doch sicher hierbleiben?«, fragte Bonde

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