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Totenzimmer: Thriller (German Edition)

Totenzimmer: Thriller (German Edition)

Titel: Totenzimmer: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Staun
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Schultasche gepackt. Schon lange fantasierte ich davon, was bei dem, was ich vorhatte, mit der Katze geschehen würde. Es ging mir gar nicht darum, ihr wehzutun – okay, vielleicht ein bisschen. Eigentlich aber verfolgte ich mit dieser Sache strategische Zwecke. Es ging mir darum, Furcht und Verunsicherung zu verbreiten.
    Die Schultasche in der einen, den Käfig in der anderen Hand, war ich ins Wäldchen spaziert, wo ich den Käfig versteckte, bevor ich ins Klassenzimmer ging. Mehr als pünktlich, ruhig und ordentlich, sauber und anständig gekleidet, frisch frisiert und mit perfektem Pausenbrot.
    Pjevs hatte es nicht gefallen, im Käfig zu hocken, sie hatte die ganzeZeit über miaut und war mir auf die Nerven gegangen, so dass es angenehm war, ein paar Minuten vor den anderen in der Schule zu sein, um mich zu sammeln, bevor meine Klassenkameraden hereinkamen und den Raum mit dieser besonderen Art von Lärm füllten. Stuhlbeine, die über den Boden kratzten und dann hingeknallt wurden oder schwere Schultaschen, die hart und scheppernd auf dem Linoleumboden landeten, ließen meine Nervenbahnen auf höchst unangenehme Weise erzittern. All diese Geräusche irritierten mich, sie machten mich wütend. Schüler sind unglaublich plump und scheinen ihre Anwesenheit immer irgendwie durch Lärm manifestieren zu müssen:
Jetzt bin ich hier, hör zu! Ich mache Krach, also bin ich!
Geräusche! Das nervöse Zwitschern meiner Mutter, wenn sie von Steak und Sauce redete, ihr angsterfülltes Klirren mit dem Besteck: Dies waren Geräusche, die ihre Unterwürfigkeit betonten, Geräusche, die mir gut taten. Das Schweigen meines Vaters hingegen war unerträglich.
    In der Freistunde erzählte ich Birgitte, dass ich ihr ein Geheimnis zeigen wolle, etwas, das mich mit Freude erfüllte. (Ich sagte das wirklich so. Alles an mir war brav und unauffällig, meine Haare, meine Kleider, meine Sprache, und diese Unauffälligkeit half mir zu überleben.) Ich hatte sie einmal halb-vergewaltigt, und sie war sicher eine, die ihren Mund hielt, doch genau das sollte sie dieses Mal nicht tun. Dieses Mal sollte sie ein Gerücht verbreiten, das ich entschieden und mit allem Nachdruck leugnen würde. Niemand sollte mit Sicherheit wissen, ob die Geschichte stimmte oder nicht. Alle sollten einfach gründlich verunsichert sein über den Jungen mit der netten Frisur und dem ordentlichen Pausenbrot.
    Ich kippte den Flachmann über Pjevs aus, die jämmerlich miaute und mich auf unangenehme Art an meine Mutter erinnerte. Als ich sie mit meinem Zippo-Feuerzeug anzündete, schrie Birgitte auf und versuchte, wegzulaufen, aber ich bekam ihren Kragen zu fassen, hielt sie fest und zwang sie zuzusehen, wie die Katze kreischend im Käfig rotierte; ich muss einräumen, dass ich überrascht darüber war, wie lange ihr Todeskampf dauerte, und auch der widerliche Gestank überraschte mich.
    Ich bat Birgitte, allen von dieser Geschichte zu erzählen und ließ sie dann laufen, während ich selbst den Rest der Freistunde dazu nutzte, die verkohlte Katzenleiche unter dem Laub zu verstecken und den Käfig zurück in den Container zu bringen.
    Ich zweifelte nicht daran, dass meine Mitschüler in der Zwischenzeit erfahren hatten, zu was ich in der Lage war und auf welche Ideen ich womöglich kommen konnte, sollte man mir nicht gehorchen. Ich selbst leugnete alles mit entsetzt ungläubigem Gesichtsausdruck, als meine Kameraden mich noch am gleichen Tag darauf ansprachen. In meinen Augen ließ ich aber eine Art Lächeln aufblitzen, um Zweifel zu säen. Niemand konnte wissen, ob trotz meiner entschiedenen Leugnung nicht doch stimmte, was Birgitte erzählt hatte. Sie sollten lernen, mich zu fürchten und mir zu gehorchen, ohne dass jemand wirklich Bescheid wusste. Eine war keine, Birgitte war keine. Zwei wären fatal gewesen, eine jedoch, eine wie Birgitte, war genau richtig.

9
     
     
    Inzwischen hatten die beiden Johns den Rücken des Leichnams fotografiert und waren nun damit beschäftigt, die einzelnen Läsionen zu nummerieren und Nahaufnahmen davon zu erstellen. Ich hatte siebzehn Stück unterschiedlicher Tiefe und Breite gezählt, alle verursacht durch einen scharfen Gegenstand. Auf der Vorderseite der Toten zählte ich sechsundzwanzig Stich- und Schnittwunden, wobei sich die meisten auf den Bereich des Venushügels konzentrierten. Ein Teil dieser Läsionen sah sehr tief aus, wie tief genau, konnte ich allerdings erst bestimmen, wenn ich die Leiche öffnete. Die Wunden waren

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