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Totenzimmer: Thriller (German Edition)

Totenzimmer: Thriller (German Edition)

Titel: Totenzimmer: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Staun
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schüttelte den Kopf und sah weg, vielleicht um ihm zu zeigen, dass es wirklich nicht um ihn ging.
    »Wir reden hier doch nicht von Ihnen, nicht von Ihrer Art der Verzweiflung, seine ist viel genereller – das ist die Verzweiflung eines Psychopathen, der jetzt auch noch den Atem eines Fremden in seinem Nacken spürt. Was, wenn er wirklich verzweifelt war, als er begann, nach einem Stoff zu suchen, der ihm helfen kann, und vielleicht wirkt dieses Zeug bei ihm ja. Schauen Sie sich doch an, was er tut – das wirkt doch alles ziemlich verzweifelt.«
    Vor meinen Augen begann Bonde Madsens Gesicht langsam zu verwischen und unscharf zu werden, irgendwie schien ich selbst langsam zu verschwinden. Ich weiß nicht, ob es das Wort
verzweifelt
war, das mich plötzlich meine eigene Zerbrechlichkeit erkennen ließ, aber ich stand auf, als ich spürte, dass mir die ersten Tränen in die Augen stiegen.
    »Ich sollte jetzt lieber gehen«, sagte ich und griff nach meinenKrücken, die ich eigentlich nicht brauchte. Auf einen verstauchten Fuß durfte man sich problemlos stützen, ich hatte nur keine Lust dazu. Vielleicht lag es an Emilie oder auch an meiner Nacht im Park, die still und leise durch den physischen Panzer all meiner oberflächlichen Verletzungen gedrungen war.
    Als ich an der Tür war, drehte ich mich noch einmal zu Bonde Madsen um.
    »Waren Sie mit Helle im Bett?«
    »Ja doch«, sagte er und richtete sich auf dem Stuhl auf.
    Ich ließ die Tür meines Büros offen stehen und lief über den Flur, während mir die Tränen über die Wangen rannen, obwohl ich nicht wusste, warum.
    Hätte ich zu diesem Zeitpunkt geahnt, dass die Wände meiner Wohnung gerade mit dem Blut von Jeanette Lisa Jensen beschmiert worden waren, hätte ich einen wirklich guten Grund zum Weinen gehabt.

23
     
     
    Ich ging auf die Toilette, wusch mir das Gesicht mit kaltem Wasser und machte mich erst nach einer ganzen Weile auf den Rückweg in mein Büro. Als ich dort ankam, war Bonde Madsen verschwunden. Ich setzte mich an den Computer und versuchte mich zusammenzureißen. Heulende Frauen hasste ich und fand mich selbst unerträglich, wenn mir ein seltenes Mal die Tränen kamen. Dabei war die Tatsache, dass Frauen weinten und Männer masturbierten, laut den Dresden Dolls einfach nur die Folge einer Arbeitsteilung, die bereits existiert hatte, als die ersten Protozoen an der kalifornischen Küste an Land krabbelten. Diese Sichtweise hatte mir jedoch nie wirklich geholfen. Ich konnte in diesem Moment einfach nichts dagegen tun, dass mir wieder die Tränen in die Augen stiegen, als hätten sie eine wichtige Nachricht für mich, die ich mich zu hören weigerte.
    Ich schaltete den Computer ein und ging schnell die E-Mails des Tages durch. Eine einzige beantwortete ich, bevor ich Steno anrief und ihn natürlich weckte. Die Tränen liefen noch immer über meine Wangen, was mich stinkwütend machte. Andererseits trugen sie wohl ihren Teil dazu bei, dass Steno, als ich mit meinem Bericht über die Nacht im Munke Mose zum Ende gekommen war, sehr still wurde.
    »So etwas darf nicht geschehen«, sagte er und wiederholte es noch einmal. »Ich bin mir leider überhaupt nicht sicher, ob ich aufklären kann, wer das war. Aber trotzdem, ich werde tun, was in meiner Macht steht.« Natürlich konnte er das aufklären. Er log. Alle logen.
    Steno fragte nervös, ob ich zur Polizei gehen wolle. Das wollte ich nicht. »Ich vertraue darauf, dass ihr eure Leute selbst disziplinieren könnt«, sagte ich – und log. Eine Garantie gab ich ihm aber nicht. Außerdem wusste ich beim besten Willen nicht, was ich tun würde, wenn ich herausfände, wer da im Park über mich hergefallen war.Wollte ich es einfach nur wissen? Oder würde ich etwas unternehmen? Aber was? Ich fühlte mich unberechenbar.
    Ich sah aus dem Fenster. Das Wetter war umgeschlagen, die mediterranen Verhältnisse waren einem grünen Spätsommer auf grauem Grund gewichen. Regen trommelte gegen die Fensterscheibe, ich starrte vor mich hin und bemerkte Nkem nicht, die auf einmal in der Tür stand. Meine Gedanken hatten sich in einer gewalttätigen Fantasie verstrickt, die von dem Typ – oder den beiden Typen – im Park handelte; in meiner Vorstellung waren sie zwei erbärmliche Männer mit Bart. Und dieses Mal war nicht ich das Opfer der Gewalt.
    »Sie arbeiten jetzt mit Hochdruck an dieser Seite,
nne «
, sagte Nkem. Ich drehte mich erschrocken um.
    »Welche Seite?«
    »Diese Webseite, der Internetshop, der

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