Totenzimmer: Thriller (German Edition)
Sprinter mit Prostituierten, die er auf derStraße aufgabelte. Er fuhr mit ihnen in einen Wald, wo er sie – eine nach der anderen – laufen ließ. Wir waren eine Jagdgesellschaft von vier oder fünf Männern. Die Prostituierten begruben wir an Ort und Stelle im Wald. Friedrich bestärkte mich damals in meiner bereits existierenden Vorliebe für Messer.
Es war allerdings nicht Friedrich, der mir beibrachte, wie man biologische Spuren vermied, sondern einer seiner anderen treuen Kunden, ein Rechtsmediziner aus Freiburg namens Maximilian. Er besorgte uns auch die Schutzanzüge, die Mundbinden, Hauben und Handschuhe. Von ihm kam auch der Rat, uns nicht nur im Gesicht, sondern auch im Schritt zu rasieren, was ich ungeheuer stimulierend fand. Wenn man sich nicht auch noch die Augenbrauen abrasieren wollte, was ja sehr auffällig gewesen wäre, wurden sie einfach abgeklebt. Aber der Bart musste weg. Wir waren also eine sehr ungewöhnliche Jagdgesellschaft und erinnerten nicht im Entferntesten an Robin Hood und seine fröhlichen Gefährten, auch wenn wir uns so fühlten, wenn die Jagd auf die rehäugigen Damen begann. Wir alle waren stets hochprofessionell.
Meine Freundin, die zu allem Überfluss auch noch auf den fürchterlichen Namen Mette-Ann hörte, fand es pervers, sich die Schamhaare abzurasieren, und fragte mich immer wieder, warum ich das tat. Dabei erklärte ich ihr wieder und wieder, dass ich da unten einfach keine Haare mochte. Als sie mich schließlich ihren Eltern, Palle und Sita, vorstellte, wurde es mir einfach zu viel, und ich trennte mich von ihr. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich sie schon drei Jahre ertragen. Das war sicher mehr als genug, sagte ich mir, wenn ich an all die Singles dachte, die sich ausgesprochen heteronormativ durch das Medizinstudium bewegten. Dann geschah das mit meiner Mutter.
22
Ich glotzte Bonde Madsen entgeistert an und schüttelte langsam den Kopf. Nein, davon hatte ich noch nichts mitbekommen.
»Karoly hat es mir gestern erzählt – es steht heute auf den Titelseiten.« Er schob die aktuelle Ausgabe der
Fyens Stiftstidene
zu mir herüber. Die Geschichte nahm die Hälfte der Titelseite ein.
Siebzehnjährige Jeanette spurlos verschwunden
Jeanette Lisa Jensen verschwand am späten
Sonntagabend nach einem Besuch bei ihrer Freundin
Die siebzehnjährige Jeanette Lisa Jensen aus Odense war am Sonntagabend zu Besuch bei einer Freundin in der Christiansgade im Zentrum von Odense. Um elf Uhr rief sie ihren Freund an und bat ihn, sie abzuholen. Danach ging sie nach unten auf die Straße, um auf ihn zu warten. Doch als er um 23.50 Uhr in der Christiansgade ankam, war Jeanette verschwunden. Ihr Freund rief sofort die Polizei.
Die Familie fürchtet nun das Schlimmste, und die Odenser Polizei hat das Mädchen sofort zur Fahndung ausgeschrieben.
»Wir haben es hier erneut mit dem Verschwinden eines ganz normalen Teenagers zu tun. Im Hinblick auf die kürzlich begangenen, bestialischen Morde an zwei jungen Mädchen reagieren wir sofort«, sagte der Wachhabende bei der Odenser Kriminalpolizei, Kenneth Jørgensen, gegenüber der
Fyens Stiftstidene
.
Ich sah auf und spürte den Druck in meinem Kopf. Hans saß da und sah mich noch immer schweigend an. So nachdenklich und still hatte ich ihn noch nie kennengelernt. Die ganze Zeit über dachte ich:
Wäre es wirklich hilfreich, wenn ich der Polizei alles sagen würde – für die Ermittlungen? Für mich? Dass es mehr als ein Täter war?
Wenn
es denn mehr als einer war und ich mir das alles nicht bloß einbildete. Und selbst wenn es an diesem Abend im Park mehr als einer gewesen war, wieso schloss ich dann darauf, dass diese beiden auch die Morde gemeinsam begangen hatten? Ich schob den Gedanken als reine Spekulation beiseite.
»Was wissen Sie noch?«, fragte ich.
»Über das da?« Er zeigte auf die Zeitung.
»Worüber sonst?«
»Karoly sagt, dass die Polizei sich sehr auf das Opferprofil konzentriert hat – Sie wissen schon: hübsch, blond, intelligent, aus guten Familien und mit guten akademischen Aussichten. Aber die hier«, er zeigte auf die Zeitung, »macht das ganze Bild kaputt.«
»Warum? Ist sie eine arbeitslose Perle aus Vollsmose, die Mülleimer anzündet?«
Er zog einen Mundwinkel hoch. »Sie ist dunkelhaarig, hat nur einen mittelmäßigen Realschulabschluss geschafft und jobbt in einer Würstchenbude. Sie wollte da so lange bleiben, bis sie wusste, was sie aus ihrem Leben machen sollte. Ihr Geliebter ist
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