Totenzimmer: Thriller (German Edition)
deutlich älter als sie und Mitglied bei den Bandidos.«
»Welche Würstchenbude?«
»Der Wagen in der Fußgängerzone. Ich glaube, der steht in der Store Gråbrødrestræde, wenn Sie die kennen.«
Da hatte ich mir auch schon mal eine Wurst geholt. Der Wagen war mit einem Elite-Smiley ausgezeichnet, ein Emblem, das sich die dänische Regierung ausgedacht hatte, um gastronomische Betriebe auszuzeichnen, die sich besonders gut an die Vorgaben hielten – dererste dieser Art, den ich jemals gesehen hatte. Ich nickte: »Da gibt es nur braune Würstchen, keine roten. Sie ist siebzehn Jahre alt?«
Die Tür ging auf. Ruth kam mit einer Thermoskanne herein und plazierte sie mit einem vielsagenden Blick zwischen uns auf dem Tisch. Helle war fort, aber das Bild, das sie von dem »Alten Mann und der Hexe« gezeichnet hatte, würde in Ruths innerer Galerie hängen bleiben.
Love in a trashcan
. Ruth beeilte sich, wieder nach draußen zu kommen.
»Das ist merkwürdig, nicht wahr«, begann ich, als die Tür schon eine Weile wieder geschlossen war. »Die erste war neunzehn, die nächste achtzehn und diese jetzt siebzehn?«
»Das ist bestimmt ein Zufall.«
»Es erinnert mich an etwas, ich komme nur noch nicht darauf, an was. Was wissen Sie sonst noch?«
»Abgesehen davon, dass mich irgendwann mitten in der Woche jemand aus dem Schlaf reißen wird, weil ich Bereitschaft habe? Nein, ich glaube, das ist alles … oder warten Sie. Sie hatte einen verstauchten Fuß, wie …« Er nickte in Richtung meines bandagierten Fußes, über den ich einen Strumpf gezogen hatte. »Das ist doch eine Verstauchung, oder?«
Ich nickte. »Ich glaube schon. Es fühlt sich jedenfalls so an.«
»Also, eine Verstauchung … vor etwa einer Woche.«
»Und trotzdem ist sie den ganzen Weg von dieser Würstchenbude bis in die Christiansgade gelaufen? Das sind doch mindestens zwei Kilometer.«
»Nein, ihre Freundin hat sie mit ihrem Mofa abgeholt.« Er streckte sich langsam auf seinem Stuhl und nickte mir dann zu. »Waren Sie damit in der Notaufnahme, haben Sie ein Röntgenbild machen lassen?«
»Natürlich nicht, aber Moment – war das verschwundene Mädchen mit ihrem Fuß in der Notaufnahme?«
»Keine Ahnung, warum?«
»Weil Emilie sich das Schlüsselbein gebrochen hatte. Manche Leute gehen mit so etwas erstmal in die Notaufnahme, es wissen ja nicht alle, was man tun muss, warten Sie …« Ich stand auf, nahm meine Krücken und humpelte, so schnell ich konnte, in mein Büro, wo ich den Obduktionsbericht von Camilla Porsman aufbewahrte. Ich setzte mich an den Schreibtisch und öffnete ihn. Meine Erinnerung hatte mich nicht getäuscht. Camilla Porsman hatte sich kurz vor ihrem Tod den Daumen gebrochen.
Ich versuchte, mich auf einen Gedanken zu konzentrieren, der sich aber nicht einfangen lassen wollte. Stattdessen drängten sich Millionen anderer Gedanken auf: Ich musste mit Steno reden. Neunzehn, achtzehn, siebzehn. Chronologische Teenagereliminierung? Gab es erst dann ein Ende, wenn eine Dreizehnjährige auf dem Obduktionstisch lag? Würde er dann von vorne beginnen, ebenso chronologisch, in umgekehrter Reihenfolge, genau wie beim Piratenbridge? Dieses Kartenspiel kannte ich noch aus meiner Kindheit. Die Zahlenreihe runter und wieder rauf.
Teenagereliminierung. Noch immer hatte ich das Gefühl, mich an etwas erinnern zu müssen, kam aber nicht darauf, was es war, so lange ich auch auf meinen chaotischen Schreibtisch starrte.
»Was haben Sie gefunden?« Ich drehte mich um. Bonde Madsen stand in meinem Büro. Natürlich hatte er nicht angeklopft.
»Camilla Porsman hatte sich kurz vor ihrem Tod den Daumen gebrochen. Ich denke«, begann ich langsam, »dass die Verletzungen, die sich alle drei Mädchen vor ihrer Ermordung zugezogen haben, vielleicht ein Anhaltspunkt sein könnten. Ich meine, wenn weder ihr Aussehen, noch ihr Alter, ihre Herkunft oder diese Kathedralschule der gemeinsame Nenner sein kann. Vielleicht waren sie kurz vor ihrem Tod alle in der Notaufnahme der Ambulanz. Das wäre doch möglich.«
»Und dann?«
»Ich weiß nicht, aber jetzt, da das gerade verschwundene Mädchennicht ins Opferprofil passt, ist das vielleicht das Einzige, was diese drei Mädchen miteinander verbindet. Vielleicht gibt es in der Notaufnahme jemanden, der sich diese drei ausgeguckt hat? Ein Arzt, ein Pfleger oder jemand vom Reinigungspersonal …«
Bonde Madsen sah mich ungläubig an. »Ein Arzt?«
»Naja, auch Ärzte können verrückt sein«, konterte
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