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Totenzimmer: Thriller (German Edition)

Totenzimmer: Thriller (German Edition)

Titel: Totenzimmer: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Staun
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direkt gegenüber der Krankenhauswäscherei, aus der beständig Dampfschwaden emporstiegen, die das Gebäude einhüllten. Auch die Notaufnahme war früher einmal weiß angestrichen gewesen, wirkte jetzt aber eher graublau und gläsern. Zusammen mit den neuerdings giftgrünen Rettungswagen, die draußen vor dem Gebäude parkten, und den überall herumlaufenden, orange gekleideten Rettungssanitätern wirkte das Ganze wie ein Fragment aus einem größeren Industriekomplex, in dem sich alle möglichen lichtscheuen Aktivitäten entwickeln konnten. Wenn der Assistens-Friedhof der schönste Ort in Odense war, blieb für das Klinikgelände wirklich nur der allerletzte Platz. Ich war nie zuvor in der Notaufnahme gewesen, sondern immer nur daran vorbeigefahren, doch schon nach wenigen Schritten jenseits der gläsernen Schiebetür war mir klar, dass dies ein Ort war, den ich verabscheute.
    »Ist es billiger, wenn alles hässlich und jämmerlich aussieht?«, fragte ich Nkem, aber sie überholte mich und lief schnellen Schrittes an drei kleinen Warteräumen vorbei zum Empfang. Als sie nach rechts und links schaute und ihren Kopf, nach ihrer Chorfreundin Ausschau haltend, teleskopartig in alle Richtungen drehte, sah es fastso aus, als hätte sie Kugellager in ihrem Hals. Die Frau am Empfang war also nicht Anne. Sie hatte ein herbes Gesicht mit einem strengen Blick, war korpulent, trug eine dicke Brille, und ihre Frisur erinnerte an eine versteinerte Dauerwelle. Ohne ein Wort zu wechseln, waren wir uns einig, dass bei dieser Frau jeder Versuch von vornherein zum Scheitern verurteilt war. Sie würde uns nur mit ihrem kalten Blick mustern und uns dann belehren, dass solche Anfragen von der Polizei gestellt werden müssten. Bestimmt würde sie es auch schaffen, dass wir uns wieder wie zehnjährige Mädchen fühlten, die eine Dummheit begangen hatten.
    »Setzen wir uns in eines der Wartezimmer«, begann Nkem. »Ich versuche noch einmal, Anne anzurufen.« Genau in diesem Moment trat eine etwa vierzigjährige Frau eilig aus einer der Türen. Ihre Haare waren mit Henna rot gefärbt, und sie trug einen blauen Cardigan über ihrem Kittel und eine auffallend schöne Ledertasche über der Schulter. Als sie Nkem erblickte, blieb sie wie angewurzelt stehen, lächelte breit und umarmte sie. Ich sah weg. Nkem zog sie zur Seite, um etwas von dem Gedrängel am Empfang wegzukommen. Ich sah, wie sie die Köpfe zusammensteckten. Anne schaute nachdenklich, nickte, hörte zu und sah noch nachdenklicher aus. Dann kam Nkem zu mir und sagte, Anne sei zwar auf dem Nachhauseweg, wolle das für uns aber noch kurz überprüfen. »Gib mir die Versicherungsnummern«, sagte sie. Ich zog den Zettel aus der Tasche und reichte ihn ihr.
    »Kann ich nicht mitkommen?«
    Nkem schüttelte den Kopf. »Eine Negerin ist sicher schon mehr als genug. Noch eine in voller Obduktionskluft würde zu viel Aufmerksamkeit erregen. Es dauert nicht lang.« Sie verschwand mit Anne über den Flur, der vom Empfang wegführte, und ich ging missgestimmt nach draußen und rauchte eine Zigarette. Es regnete aber so stark, dass ich schließlich doch wieder hineinging und mich in eines der Wartezimmer setzte, wo ich prompt zwischen heulendenund jammernden Blagen mit Schniefnasen landete – warum mussten die eigentlich jedes Wartezimmer dieser Welt bevölkern? Mir gegenüber saß ein Handwerker, der seine blutende Hand mit einem Lappen umwickelt hatte. Unwillkürlich musste ich an eine Säge denken. Eine Blondine Anfang dreißig, die ein großes Muttermal auf der Wange mit Make-up abzudecken versuchte, saß mit geschlossenen Augen da und presste sich die Finger auf ihren Schädel. Sie schien sich den Kopf gestoßen zu haben.
    Die Luftfeuchtigkeit im Wartezimmer war so hoch, dass sie die übelsten aller natürlichen Körpergerüche hervorlockte. Kein Wunder, draußen regnete es noch immer kräftig und anhaltend.
    Die Warterei quälte mich, und so ging ich wieder nach draußen und lief im Foyer vor dem Drachenweib mit der Dauerwelle auf und ab, ohne mich um die Blicke zu kümmern, die sie mir zuwarf. Bestimmt würde sie mich gleich fragen, ob sie mir helfen könne. Oder – anders ausgedrückt – sie würde von mir wissen wollen, was zum Henker ich hier in meiner lächerlichen Obduktionskluft wolle, bis Halloween sei es schließlich noch ein Weilchen hin.
    Dann aber tauchte Nkem plötzlich aus einer Tür auf dem langen Flur auf und winkte mich zu sich. Auf ihren Lippen prangte ein zufriedenes

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